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Pole erhält Broks Außen-Ausschuss

Bielefelder Europapolitiker sieht sich als Opfer Warschauer Nationalisten

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). »Ich bin an d'Hondt und am polnischen Nationalismus gescheitert«, sagte gestern der Bielefelder CDU-Politiker Elmar Brok (60) zum Verlust des Vorsitzendenamtes im wichtigen Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments.
Elmar Brock, seit 1980 Europaabgeordneter.Jacek Saryusz-Wolski, führt Außen-Ausschuss.
Brok muss nach siebeneinhalb Jahren die Leitung der 84 Mitgliedern an den polnischen Abgeordneten Jacek Saryusz-Wolski von der liberalkonservativen Bürgerplattform abtreten. Beide Parteien gehören in Straßburg der christlich-demokratischen und konservativen Fraktion (EVP-ED) an.
Das nach dem belgischen Mathematiker d'Hondt bezeichnete Verfahren regelt die möglichst gerechte Vergabe von Ämtern unter Berücksichtigung der Kopfstärke auch kleinerer - in diesem Fall nationaler - Gruppen.
Durch die Ernennung von Hans-Gert Pöttering (CDU) zum Parlamentspräsidenten standen der EVP-ED nur noch vier statt sieben Stellvertreterposten zu. Das hatte Folgen bis zur Ausschussbesetzung.
In Polen wurde das Bemühen Broks, seine Position zu halten und den nach d'Hondt absehbaren Zugriff des östlichen Nachbarn auf den Ausschussvorsitz zu verhindern, zur Staatsaffäre. Brok mobiliserte seinerseits »halb Europa«, so Parteikreise.
Verhandlungen mit dem Ziel, Saryusz-Wolski zu einem Verzicht zu bewegen, bewirkten das Gegenteil. Das Besetzungsverfahren wurde zwar angehalten, Broks Wunsch nach einer offenen Entscheidung außerhalb der d'Hondt'schen Systematik aber nicht entsprochen.
»Wenn es zur Abstimmung gekommen wäre, hätte ich 90 Prozent auf meiner Seite gehabt«, sagt Brok, für den sich Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Parteivorsitzenden der polnischen Bürgerplattform, Donald Tusk, einsetzte. Daraufhin warf die polnische Regierung der Brüder Kaczynski der Oppositionspartei vor, sie treffe Absprachen mit Regierungen anderer Länder und »verletze damit die polnische Staatsraison«.
Brok räumte im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT ein, »dadurch dass die Polen den Vizepräsidenten verloren hatten, waren sie jetzt dran.« Er sagte aber auch, es habe in Warschau Erklärungen von höchsten Stellen gegeben, dass es eine nationale Pflicht sei, den Deutschen den Ausschussvorsitz zu nehmen. Der Bielefelder: »Das sind die Töne der Kaczynski-Brüder«.
Brok zeigte sich trotz der Niederlage gelassen. Er blicke auf die längste Amtszeit eines Ausschussvorsitzenden zurück. Auf die Frage, ob die Jahre als Vorsitzender die schönsten seines europäischen Wirkens seit 1980 gewesen seien, sagte der Bielefelder: »Nein, das waren die Regierungskonferenzen und der Verfassungskonvent.«
Er müsse nicht »zurück ins Glied«, widersprach Brok Nachfragen. Er leite die Verfassungsgrupppe von Fraktion und Europäischer Volkspartei, nehme weiter an den Treffen der EVP-Regierungschefs teil, bleibe Außenpolitiker und denke nicht an die Aufgabe seines Mandates, das bis 2009 gilt. Brok: »Wo ein Tal ist, ist auch ein Berg. Aber oben auf dem Berg ist auch klar, dass es wieder ein Tal gibt.«

Artikel vom 26.01.2007