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»Die Finanzminister ahnen, dass die goldenen
Zeiten ihres
Wettmonopols
vorbei sind.«

Leitartikel
Unsportliches Monopol

Lasst Ball
und Euro rollen


Von Jürgen Liminski
Jetzt rollt wieder die schönste Sache der Welt. Aber nicht nur für die Fans der Bundesliga. Mit dem Ball rollt auch der Euro. Die Sportwetten bringen dem Staat Milliarden und schon deshalb erwarteten die Finanzminister mit Ungeduld den Anpfiff zur zweiten Halbzeit der Saison. Ganz wohl ist ihnen nicht dabei. Auf ihrer Ehrentribüne ahnen sie, dass die goldenen Zeiten des Wettmonopols vorbei sind. Europa verlangt mehr Wettbewerb und das zu Recht.
Mehr Wettbewerb bei den Wetten wäre gut für die Kunden und übrigens auch für das Land. Der Sportwettenmarkt zählt in Europa zu den Wachstumsmärkten, meint ein Kenner der Szene, der Vorstand des Düsseldorfer Sportwettenanbieters Stratega-Ost.de, Helmut Sürtenich. Er werde aber krampfhaft klein gehalten durch die Staatsmonopolisten, sagt er. Die Rechtslage sei mittlerweile ziemlich diffus. Dabei könnte eine Liberalisierung 30 000 Arbeitsplätze allein in Deutschland schaffen - und vielleicht sogar die Preise für die Kunden etwas senken.
Der Chef von Wettcorner.com im österreichischen Wels, Reinfried Wiesmayr, blickt voraus und sieht in mittel- und osteuropäischen Staaten hohe Wachstumschancen. Man erwartet für spätestens Ende dieses Jahres die Liberalisierung.
Die EU steht nicht nur im Ruf der Verschwendung von Steuergeldern und wuchernder Bürokratie, sondern auch für marktwirtschaftliche Prinzipien, die sie in Berlin bereits öfters angemahnt hat. Sollte es aber wieder zu einer Kungelei auf Ministerebene kommen - man kennt das aus der Verzögerungstaktik in Sachen Stabilitätspakt, als die Ministerkrähe der Kommissarskrähe kein Auge ausstechen wollte und man es bei Mahnungen beließ - dann wird der Markt eben außerhalb der EU stattfinden.
Befürworter des Monopols verweisen auf mögliche Folgen des Wettens. Das könne zur Spielsucht führen. Paradox: Wetten soll der Bürger nur beim Staat, der ihn aber vor dem Wetten warnt.
Das ist die Monopolistenlogik der Gutmenschen, auf gut Deutsch: Heuchelei. Denn allein ein Blick in andere Länder, wo Sportwetten schon lange als Freizeitbeschäftigung anerkannt sind - etwa in Österreich oder Großbritannien - zeigt auf, dass die Zulassung privater Wettveranstalter nicht dazu führen muss, dass Suchtprävention, Jugend- und Verbraucherschutz ins Hintertreffen geraten.
Auch Betrug ist, wie der Fall Hoyzer in Deutschland demonstriert hat, mit und ohne Monopol möglich, bei Monopolsituationen womöglich sogar noch verlockender. Die Jagd nach dem großen Glück, das man in kapitalistischen Ländern wie Deutschland immer mehr mit dem großen Geld verbindet, bleibt ungebrochen.
Allein fürs Lottospielen gaben die Bundesbürger im vergangenen Jahr insgesamt etwa fünf Milliarden Euro aus. Bei Sportwetten kann man wenigstens noch ein wenig persönliche Expertise einbringen.
Wenn Ball und Euro dann in die falsche Richtung rollen, lässt sich das mit Sportsgeist leichter ertragen als einfach nur Pech.

Artikel vom 27.01.2007