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Gelassenheit macht Größe

Bundestrainer Brand ist der Star und überrascht sogar seine Spieler

Von Oliver Kreth
Dortmund (WB). Als Sead Hasanefendic minutenlang seinen Monolog in drei Sprachen hielt, stützte sein deutscher Kollege sein Gesicht in die linke Hand und schaute gelassen durch den Raum. Als Heiner Brand dann endlich nach seiner Beurteilung des Spiels befragt werden konnte, antwortete er mit einem süffisanten Lächeln: »Ich hatte ja jetzt Zeit, mir eine Antwort zu überlegen.«
Die Handball-Fans bringen es in Halle auf den Punkt.
Der Bundestrainer ist der unumstrittene Star dieser Weltmeisterschaft, der gefragteste Gesprächspartner und die größte Überraschung dieses Turniers - auch für seine Spieler. Dass ein schon 54-Jähriger im dem Jugendhype verfallenen Sport diese Rolle mit immer häufiger zu beobachtendem Lächeln gibt - das ist ein Zeichen von wahrer Größe.
Als nach dem Slowenien-Spiel der Trainer der unterlegenen Mannschaft verbal aus dem Ruder lief, blieb der Gummersbacher ganz gelassen, zog nur leicht die Augenbraue hoch und sagte dann: »Ich habe etwas erstaunt die Meinung meines Kollegen zur Kenntnis genommen«, und schlug dann vor, eine gründliche Analyse des Spiels vorzunehmen, um zu sehen, ob die Schiedsrichter wirklich das deutsche Team bevorteilt hätten. »Dafür stehe ich gern bereit«, sagte Brand. Damit hatte er den Schwadroneur ins Leere laufen lassen und war auch nach der Partie klarer Punktsieger.
Auch der verletzte Nationalspieler Frank von Behren ist vom Trainer beeindruckt. Der Mindener in Diensten der SG Flensburg-Handewitt war live bei der peinlichen Pressekonferenz in Halle dabei und meinte nur: »Heiner ist so cool. Den interessieren solche Mätzchen nicht. Der macht sein Ding.« Und bisher alles richtig.
Der Mann, der von sich selber sagt: »Ich kann nicht verlieren«, stapelte vor der Weltmeisterschaft bewusst tief. A la Klinsmann den Titel öffentlich in Aussicht zu stellen, das war sein Ding nicht. Aber natürlich will er ihn holen - in Köln, wo sein VfL Gummersbach wieder wahre Handball-Feste feiert. Aber wie der schwäbische Kollege zum Beachboy zu mutieren, das ist kein Brand-Stil.
Dazu gehört auch, nicht auf die Spaßbremse zu treten. Nur in Sachen Euphorie, da drückt er nicht aufs Tempo. »Was die Mannschaft geleistet hat, ist wirklich toll. Aber richtig stolz bin ich erst, wenn wir das Viertelfinale erreicht haben«, sagte der Bundestrainer nach dem Sieg gegen Tunesien. »Aber noch haben wir gar nichts erreicht«, warnte Brand vor jeglicher Euphorie. »Wir sind sicherlich auf einem guten Weg, aber Favorit auf den Titel sind wir ganz gewiss nicht.«
Die personellen Probleme sind hinlänglich bekannt. Aber auch da hat Brand alles richtig gemacht. Er vermittelte seinen »Ersatzspielern« stets das Gefühl: Wenn die anderen nicht fit werden, setze ich voll auf euch. Diese funktionierende Mischung aus Alt und Jung im nur einmal geschlagenen deutschen WM-Team ist sein Verdienst. Und mit seiner Entscheidung, Christian Schwarzer zurück ins Team zu holen, hat er den vielleicht entscheidenden Schachzug getan, um noch mehr Gegner matt zu setzen.
Denn auch an dem Umgang mit dem Lemgoer Kreisläufer kann man sehen, dass der Weltmeister von 1978 so souverän ist, dass er einen Autoritätsverlust nicht fürchtet. So sind Schwarzer, aber auch Markus Baur und Henning Fritz nicht nur Stützen des Teams, sondern auch Ratgeber des Trainers. Als Pascal Hens im Slowenien-Spiel sichtlich ermüdete, gab Schwarzer den Rat: »Nimm ihn raus.« Brand tat es.
Auch in den Auszeiten lässt er ebenfalls seinen »verlängerten Armen« ein großes Mitspracherecht. Und in der Kabine, die er zwei Minuten vor seinem Team verlässt. Die letzten Worte überlässt er dort stets seinem Kapitän. Markus Baurs Standard-Hypnose für seine Männer: »Auf dieses Spiel haben wir hingearbeitet. Auf dieses Spiel haben wir uns gefreut. Wir müssen das Spiel mit Vollgas angehen. Wir sind klar besser.«
Aber auch mit den Jungen harmoniert der alte Handball-Fuchs. Immer, wenn er den erst 23-jährigen Nachwuchsregisseur Michael Kraus an die Linie ruft, legt dieser den Arm um Brands Hüfte. Kein Problem für den Mann, den alle Spieler nach Anlaufschwierigkeiten respektvoll Heiner nennen. Im Gegenteil. Väterlich liegt sein Arm dann auf der Schulter des »Bravo-Boys«, und Brand erklärt ihm ruhig, was zu tun ist.
Dieser Mann ist kein Rätsel mehr, Heiner Brand löst sie nur noch gerne - bevorzugt Sudokus. Ansonsten hat er die Leichtigkeit des WM-Seins gefunden und damit einen guten Weg der große Star der WM zu bleiben.

Artikel vom 27.01.2007