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So stolz verliert nur
Weltmeister Spanien

Dänemark meldet sich mit dem Sensationssieg zurück

Von Hans Peter Tipp
Halle (WB). Die Dänen feierten ihre sportliche Wiederauferstehung, aber der entzauberte Weltmeister schien sich noch nicht einmal richtig zu ärgern. Trotz des 23:27 (11:15) gegen die Skandinavier und der ersten Turnierniederlage signalisierten die Spanier: Es ist doch gar nichts passiert.

Na klar, den vorzeitigen Sprung ins Viertelfinale hatten die stolzen Iberer am Donnerstag in Mannheim verpasst. Aber morgen sei ja auch noch ein Tag und übermorgen schon wieder ein neuer, befand Trainer Juan Carlos Pastor. Spätestens dann würden seine Spieler wohl schon die nächste Runde erreichen, da war sich der Señor schon völlig sicher.
»Wenn es direkt ins Halbfinale ginge, könnte es für uns kompliziert werden«, sinnierte der 38 Jahre alte Erfolgstrainer, »aber es gibt ein Viertelfinale.« Soll heißen: Es ist völlig egal, wie wir in die K.o.-Runde kommen - wir fürchten uns sowieso vor nichts und niemandem.
Von diesem unerschütterlichen Selbstvertrauen, das ihr Trainer selbst nach der ersten Enttäuschung bei diesen Welttitelkämpfen demonstrativ zur Schau stellte, zeigten sich seine Spieler zuvor leistungsmäßig allerdings meilenweit entfernt -Ê auch wenn Pastor alles hinterher halb so schlimm fand: »Die Abwehr war gar nicht so übel. Aber im Angriff hatten wir einen ganz schlechten Tag.«
In der Tat: Der Weltmeister agierte dieses Mal viel zu statisch. Iker Romero (4/1) vom FC Barcelona blieb ebenso blass wie der bislang zielsichere Juan Garcia Lorenzana (2).
Der dänische Weltklasse-Linksaußen Lars Christiansen sah bei nunmehr 2:4 Punkten in dem Erfolg gegen die Spanier hingegen die Initialzündung für »Danish Dynamite«. Der in der Bundesliga für die SG Flensburg spielende siebenfache Torschütze meinte: »Wir haben den Weltmeister geschlagen, gegen den Olympiasieger Kroatien knapp verloren - jetzt können wir jeden schlagen. Wir kommen eben von hinten.«
Doch während die Spanier noch nichts verloren haben, haben die Dänen auch noch lange nichts gewonnen: »Gegen die Russen kann es am Samstag deshalb nur heißen: Alles oder Nichts«, bekräftige deshalb Coach Ulrik Wilbek.
Aber auch die vor dem Aus stehenden Russen gehen aufs Ganze. Trainerfuchs Wladimir Maximow weigerte sich, seinen Spielern den gestrigen spielfreien Tag als Regenerationstag zur Verfügung zu stellen. »Morgens gehen wir mal in die Stadt, aber am Abend, da wird trainiert«, befahl der 61-Jährige. Angesichts der Belastung von bislang fünf Spielen in sieben Tagen könnte sich das aber als gefährliches russisches Roulette erweisen.
Ein ähnlich hartes Regime führt der Kroate Lino Cervar, der sich während der Begegnungen an der Seitenlinie wie ein Feldmarschall aufführt. Wenn er nicht Handball »lebt«, vertritt er als Parlamentarier in Kroatien Bürgerinteressen. Diplomatisches Geschick beweist er auch nach den Spielen. Immer ist er der Erste, der sich vor seine Spieler stellt. Öffentliche Kritik, die gibt es bei ihm nicht. Und seine Akteure zahlen ihm diesen Vertrauensbeweis nicht nur mit Leistung zurück.
Kroatien, der Olympiasieger von 2004, kann zudem am Samstag gegen die Tschechen (16.15 Uhr/Mannheim) erstmals auf den zunächst des Dopings verdächtigten und inzwischen rehabilitierten Davor Dominikovic zurückgreifen.
Sonntag folgt das mit Spannung erwartete Gipfeltreffen gegen Spanien (16.15 Uhr). Das dürfte - trotz voraussichtlich deutlicher Tabellenlage - in mehrfacher Hinsicht zur Frage der Ehre werden. Zum einen ist es eine Neuauflage des WM-Endspiels von 2005. Und zum anderen, weil die Verwicklung um Dominikovic auch deshalb entstand, weil ein spanisches Labor die Urinprobe des kroatischen Handballers vertauscht hatte.

Artikel vom 27.01.2007