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Büffet für Blaumeise und Co.

Ökologen sehen Vogelfütterung skeptisch, Naturschützer haben Verständnis

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Der Winter kommt doch noch, und so mancher Vogelfreund hängt spätestens jetzt Knödel in die Bäume oder streut Futter in Vogelhäuschen. Die Ökologen sehen das mit Skepsis: Der Mensch greife damit in die Natur ein, mahnen sie. Der Naturschutzbund hingegen meint: Wenn man vernünftig füttert, ist nichts dagegen einzuwenden.

»Man sollte die heimischen Vögel im Winter nicht füttern«, sagt der Biologe Dr. Tom Steinlein, der an der Universität Experimentelle Ökologie und Ökosystembiologie lehrt. Zum einen sei der Winter nicht streng genug, zum anderen würden die Vogelfreunde die stärksten Tiere herausselektieren. Und schwache Vögel, die ansonsten die kalte Jahreszeit nicht überleben würden, würden aufgepäppelt. »Durch das Füttern greift man in ökologische Zusammenhänge ein«, sagt Steinlein.
Den Einwand, dass der Mensch damit vielleicht wieder gutmacht, was er durch Flächenversiegelungen anrichtet, lässt er nicht gelten: »Sinnvoller ist es, im Garten heimische Gewächse anzupflanzen - also Vogelbeere oder Pfaffenhütchen statt Rhododendron - und den Garten im Herbst nicht aufzuräumen.« Denn wenn Stauden und Sträucher vor dem Winter nicht zurückgeschnitten werden, finden die Vögel einen reich gedeckten Tisch. Wenn zudem das vom Rasen geharkte Laub nicht in die Biotonne wandern, sondern unter Bäume und Büsche geworfen werde, betont Steinlein, sei das gut für den Garten und alles, was darin kreucht und fleucht, vom Igel bis zum Eichhörnchen.
Für naturnahe Gärten mit Sträuchern, deren Beeren lange hängen und auch seltenere Vogelarten anlocken, plädiert auch der Biologe Dr. Wolfgang Beisenherz. Ansonsten aber hat der Vorsitzende des Naturschutzbundes Verständnis für Gartenbesitzer, die Blaumeise, Rotkehlchen oder Grünfink mit einem Büffet verwöhnen. »Um Vogelarten zu erhalten, ist die Fütterung unnötig. Aber wenn man die Tiere beobachten will, wenn Kinder und Jugendliche an sie herangeführt werden und eine emotionale Beziehung aufbauen, ist das in Ordnung.« Und er gesteht, dass auch er beim sonntäglichen Frühstück gerne die Meisen beobachtet, die sich an den Knödeln, die er aufhängt, gütlich tun. »Es ist klar, dass man für die Natur nichts Besonderes tut - aber eben für sich selbst.« Beisenherz mahnt allerdings, vernünftig zu füttern: Also Körner oder Sonnenblumenkerne - und auf keinen Fall Brotreste. Auch über ein Stück Apfel freuen sich Amsel und Co.
Alle heimischen Vögel wird man aber nicht am Häuschen zu sehen bekommen: »Man füttert die, die häufig sind. Vögel, die Weichfresser sind und sich von Insekteneiern ernähren - wie das Wintergoldhähnchen oder der Zaunkönig - bleiben in den Bäumen.« Wichtig ist ohnehin, dass Vogelhäuschen so angebracht sind, dass Nachbars Katze sich nicht den einen oder anderen Piepmatz krallen kann. Zudem sollte das Futter vor Feuchtigkeit geschützt werden. Und schließlich müssen die Futterstellen regelmäßig gereinigt werden. Sonst sind sie schnell der ideale »Umschlagplatz« für Viren und Milben, und Amseln und Meisen holen sich mit ihrem Futter Krankheiten.

Artikel vom 25.01.2007