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Idol der Frauenbewegung

Vor 125 Jahren wurde Virginia Woolf geboren

Hamburg (dpa). Kaum jemand hat die Gleichberechtigung der Frau so geistreich angemahnt. Die englische Schriftstellerin Virginia Woolf, heute vor 125 Jahren geboren, gilt als eine der einflussreichsten feministischen Autorinnen des vorigen Jahrhunderts.
Die psychisch labile Virginia Woolf verfasste geistreiche, aufrüttelnde Essays. Foto: dpa
Aber Virginia Woolf ist auch eine tragische Figur: Die hoch begabte Gelehrten-Tochter wurde als Mädchen von einem Halbbruder missbraucht, litt zeitlebens unter Depressionen und ertränkte sich schließlich mit 59 Jahren. Mit großer Produktivität verfasste sie Essays und Rezensionen für die »Times«, schrieb Briefe und Tagebucheinträge voll sarkastischer Skizzen. Ihr Haus im Londoner Bohème-Viertel Bloomsbury wird Treffpunkt eines Künstlerzirkels, zu dem unter anderem der Romancier E.M. Forster, der Philosoph Bertrand Russel und der Ökonom John Maynard Keynes stoßen.
Virginia Woolf provozierte gern: 1910 reiste sie mit falschem Bart und Fantasiekostüm in den Küstenort Weymouth, gab sich als Kaiser von Abessinien aus und ließ sich durch das königliche Kriegsschiff »Dreadnought« führen. 1915 erschien ihr erster Roman »The Voyage Out« (»Die Fahrt hinaus«), 1922 folgte »Jacob's Room« (»Jakobs Zimmer«), in dem Virginia Woolf gleichzeitig mit James Joyce die Darstellungsform des inneren Monologs entwickelt. In »Orlando« (1928) lässt sie die Titelfigur durch die Geschichte reisen und das Geschlecht wechseln.
Zwar gelten Virginia Woolfs Romane bis heute als wichtige Werke der literarischen Moderne, doch ihren Nachruhm verdankt sie vor allem ihren späten Essays. »A Room of One's own« (»Ein Zimmer für sich allein«) von 1929 klagt die widrigen Arbeitsumstände weiblicher Autoren an: »Fünfhundert Pfund im Jahr und ein eigenes Zimmer«, und eine Frau könne so erfolgreich schreiben wie ein Mann, heißt es darin. Doch schriftstellerischer Erfolg konnte ihre Psyche nicht kurieren. Immer wieder erlitt Woolf depressive Schübe, hörte Stimmen, konnte tagelang nicht arbeiten. 1940 zerstörten deutsche Bomben ihr Londoner Haus. Schließlich wollte sie die Angst vor einem neuen Nervenzusammenbruch nicht mehr ertragen und stürzte sich am 28. März 1941 in den Fluss Ouse in der Grafschaft Sussex.

Artikel vom 25.01.2007