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Zwischen Chaos und Jubel

Wintereinbruch stoppt Verkehr - aber die Wintersportorte atmen auf

München/Klagenfurt/Prag (WB/dpa/Reuters). Es kommt immer auf die Sichtweise an - auch wenn's schneit: »Kärnten jubelt - endlich Neuschnee!«, posaunten gestern die Touristiker des österreichischen Bundeslandes in die Welt hinaus. Derweil beklagte die Polizei vor Ort »chaotische Zustände«.

Die Schneemassen blockierten in Österreichs südöstlichem »Wintersportparadies« die Straßen, bescherten 300 Lkw-Fahrern eine eiskalte Nacht in Schneewehen und ließen bei 12 000 Haushalten im Drautal die Lichter ausgehen, nachdem Bäume unter der Last von einem Meter Neuschnee zusammengebrochen und auf Strommasten gestürzt waren.
Doch nicht nur Teile der Alpenrepublik versinken seit der Nacht zum Mittwoch in der »weißen Pracht: Von Nord-Spanien über Frankreichs Osten bis nach Tschechien ging nach dem späten heftigen Wintereinbruch vielerorts nichts mehr. Im deutschen Alpenraum meldeten die »Gelben Engel« des ADAC Vollbeschäftigung in Sachen leere Batterien. Und selbst die Briten blieben auf dem Weg zur Arbeit in der Hauptstadt London auf der vereisten Autobahn hängen, oder ihre Züge streikten wegen gerissener Oberleitungen.
In Tschechiens Hauptstadt musste der internationale Flughafen Prag-Ruzyne komplett gesperrt werden. Ob der Betrieb heute wieder anläuft war am Abend noch unklar. Die Autobahn von Prag nach Brno (Brünn) war nach Unfällen weitgehend gesperrt, ebenso einige Grenzübergänge nach Deutschland und Österreich. Auch in Südpolen waren Grenzübergänge nach Tschechien nicht befahrbar, weil Lastwagen sich auf den Zufahrten hoffnungslos quergestellt hatten, meldete die Polizei in Breslau (Wroclaw). Das gleiche galt für den deutsch-polnische Übergang in Radomierzyce.
Im Norden Spaniens machte der Wintereinbruch mehr als 20 Bergpässe unbefahrbar. Am Südhang der Alpen in Italien allerdings freute man sich über die Wetterwende zum Kälteren, die beispielsweise dem bekannten Wintersportort Cortina d'Ampezzo binnen Stunden zu 60 Zentimeter Neuschnee verhalf.
Im Osten Frankreichs sanken die Temperaturen auf dort ungewohnte minus zehn Grad. Um die 5000 Fahrzeuge blieben in der Nacht zum Mittwoch auf einer verschneiten Autobahn A6 im Burgund stecken, auch der Bahnverkehr lag streckenweise darnieder. Um die 100 000 Haushalte blieben ohne Strom. Im Elsass herrschte Fahrverbot für Lastwagen.
Als »vorübergehend« relativierten indes die Tourismusmanager diese Wetterfolgen: »Frau Holle sei Dank«, freute sich beispielsweise Leo Bauernberger, Geschäftsführer der SalzburgLand-Tourismusgesellschaft. »Seit gestern laufen hier wieder die Telefone heiß«. Der Neuschnee komme »gerade zur rechten Zeit«.
Noch Mitte Januar herrschte in den klassischen Skigebieten Salzburgs, Tirols, Vorarlbergs und Kärntens »vorsichtiger Pessimismus«, denn selbst der Kunstschnee mochte wegen der viel zu hohen Temperaturen nicht gedeihen. Doch nun sehen Hoteliers und Seilbahnbetreiber eine reele Chance, die angepeilten plus vier Prozent für die gesamte Saison 2006/07 doch noch zu erreichen.
Denn im gesamten Alpenraum wie auch im Bayerischen Wald geht die Wintersportsaison bis Ende März. Leo Bauernberger: »Abgerechnet wird erst im April.« Und da mag man selbst im Schwarzwald nicht widersprechen: »Wir können, wenn der Schnee nun bleibt, die bisherigen Verluste leicht aufholen«, glaubt der Bürgermeister der Gemeinde Feldberg, zu welcher der höchste Wipfel im Ländle zählt.

Artikel vom 25.01.2007