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Geleitet von der Liebe zu Kindern

Bernhard Bueb las aus Streitschrift

Bielefeld (Felix). Die Schule von heute hält er für eine Belehrungs-Schule, in der Erziehung - leider - im Hintergrund stehe. »Erziehung findet in den Familien immer weniger und in der Schule nicht genügend statt«, bemängelt Bernhard Bueb. Am Donnerstagabend überraschte der langjährige Leiter des Internates »Schloss Salem« vor 300 Besuchern in der Neustädter Marienkirche mit den Thesen seiner Streitschrift »Lob der Disziplin«.

Bernhard Bueb ist ein Phänomen. Wer schafft es schon, an einem Abend an verschiedenen Orten Bielefelds gleichzeitig zu erscheinen? Denn nicht nur die 300 Zuhörer in der Marienkirche, die auf Einladung der beiden Veranstalter - der Thalia-Buchhandlung und dem Evangelischen Forum Westfalen - in die Kirche gekommen waren, hatten Gelegenheit, den bekannten Pädagogen zu erleben. Auch die »Aktuelle Stunde« brachte - zeitgleich mit dem Vortrag - ein Interview mit jenem Mann, der 31 Jahre lang das Internat in der Nähe von Überlingen geleitet hat.
Seine Erfahrungen aus dieser Zeit hat Bernhard Bueb nun in ein 174-seitiges Buch gemeißelt. Und fasst darin mit seinen Thesen ein heißes Eisen an. Denn seiner Meinung nach ist der deutsche Bildungsnotstand vor allem ein Erziehungsnotstand, verursacht oder zumindest begünstigt von all denen, die den Kindern und Jugendlichen in Elternhaus oder Schule keine Disziplin mehr abverlangen. Denn, so Bueb, »Disziplin ist das ungeliebte Kind der Pädagogik - und doch ist sie ihr Fundament«.
Dabei allerdings geht es dem 68-Jährigen gar nicht nur - wenn natürlich auch - um Sekundärtugenden wie Ordnung und Pünktlichkeit. Er plädiert für jenes Gefühl des Glücks, das sich als Folge einer Anstrengung einstellt. Auch Strafen hält der Pädagoge dabei nicht für verpönt. Wer sich in Salem beim Essen schlecht benimmt, muss auch damit rechnen, zum Spüldienst eingeteilt zu werden. Bueb setzt auf klare Konsequenzen, zeitnah ausgesprochen, verhältnismäßig und immer geleitet von der Liebe zu den Kindern.
»Pädagogik hat die Aufgabe, die Menschen zu stärken und die Sachen zu klären«, unterstützt er auch heute noch die Thesen Hartmut von Hentigs, dessen Mitarbeiter er von 1969 bis 1972 in Bielefeld war. Und überrascht sicherlich, wenn er von den Lehrern - die er am liebsten in Ganztagsschulen bis 17 Uhr arbeiten sehen wollen würde - fordert, sie sollten am Nachmittag für ihre Schüler »Partner im Spiel« werden. »Das ermöglichte, die Kinder von einer anderen Seite kennen zu lernen«, so Bueb. Und ihnen so noch anderweitig Anerkennung zukommen zu lassen. Denn, auch davon ist er überzeugt: »Kein Kind geht verloren, an das ein Lehrer glaubt«. Lehrer könnten lernen, Berater der Eltern zu werden. Aber auch die Personen sein, die Kindern Grenzen zeigen - »um sie dadurch zu Grenzüberschreitungen zu befähigen«.

Artikel vom 27.01.2007