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Außenminister schwer belastet

Fall Kurnaz: Steinmeier weist Bericht zurück

Berlin/Brüssel (dpa). Im Fall des früheren Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz hat der CIA-Sonderausschuss des Europäischen Parlaments die frühere rot-grüne Bundesregierung und den heutigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) schwer belastet.

Berlin habe 2002 ein Angebot aus den USA auf Freilassung von Kurnaz nicht angenommen, obwohl klar gewesen sei, dass von Kurnaz keine terroristische Bedrohung ausging, heißt es in dem gestern in Brüssel mit Mehrheit angenommenen Ausschussbericht.
Steinmeier äußerte sich erstmals öffentlich und wies den Vorwurf zurück. Die USA hätten 2002 kein Angebot zur Freilassung gemacht. »Ich kenne kein solches Angebot«. Weiter sagte Steinmeier: »Die lange Leidensgeschichte von Herrn Kurnaz ist erschütternd. Das lässt auch mich nicht kalt.« Aus seiner Umgebung hieß es, es habe sich damals nur um Planspiele der CIA- gehandelt. Steinmeier, der damals Kanzleramtschef war, verwies auf die »nicht ganz einfachen Jahre« nach dem 11. September 2001. »Es ging doch mit Priorität darum, Deutschland vor terroristischen Angriffen zu schützen.« Steinmeiers Mitarbeiter erläuterten, es habe kein »offizielles Angebot« seitens der US-Regierung gegeben.
Dagegen deuten Informationen aus dem BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages darauf hin, dass die Bundesregierung 2002 von einer bevorstehenden Freilassung Kurnaz' aus Guantánamo ausging. In einem vertraulichen Schreiben aus dem Bundesinnenministerium vom 30. Oktober 2002 heißt es: »Dem Vernehmen nach soll er (Kurnaz) in nächster Zeit von der amerikanischen Seiten freigelassen werden.« In dem Brief heißt es auch: »Zwischen Bundeskanzleramt und BMI (Bundesinnenministerium) besteht Einvernehmen, dass eine Wiedereinreise nicht erwünscht ist.« Ausdrücklich wird in dem Schreiben auf die Unterrichtung Steinmeiers als damaligem Chef des Bundeskanzleramts verwiesen.
Der in Deutschland geborene Türke Kurnaz war seit Februar 2002 als Terrorverdächtigter in Guantánamo inhaftiert. Sein Anwalt bat die Bundesregierung mehrfach um Hilfe. Kurnaz kam dann erst nach Intervention von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im August 2006 frei.
Die mögliche Mithilfe lokaler Behörden zur Verhinderung der Rückkehr von Kurnaz beschäftigt auch das Parlament in Bremen. In einer aktuellen Stunde sollen sich heute Landes- und der Bundesregierung stellen.
Der Vorgang müsse Konsequenzen für Steinmeier haben, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Herrmann (Brakel), Mitglied im Geheimausschuss zur Klärung einer möglichen Beteiligung deutscher Elitesoldaten an Misshandlungen in Kandahar. »Einer muss die Verantwortung tragen«.
Für Aufregung sorgte der Fund von Mikrophonen im Büro des Abgeordneten Wolfgang Neskovic, der Mitglied im BND-Untersuchungsausschuss ist. Ein Abhörverdacht bestätigte sich zunächst aber nicht.
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Artikel vom 24.01.2007