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Frauke in Nieheim eingesperrt:
Eine Stadt sucht einen Mörder

Täter wird weiterhin im großen Bekanntenkreis des Opfers vermutet

Von Christian Althoff
Nieheim (WB). In Nieheim und seinen zehn Ortschaften leben 7094 Menschen - und einer von ihnen ist möglicherweise der Entführer und Mörder der Krankenpflegeschülerin Frauke Liebs (21) aus Paderborn.
Frauke Liebs wurde wahrscheinlich Ende Juni getötet.
Bei ihrer Suche nach dem Täter konzentriert sich die Mordkommission seit gestern auf den idyllisch gelegenen Heilklimatischen Kurort im Kreis Höxter. Von hier aus hatte Frauke Liebs am 21. Juni um 0.49 Uhr, nur Stunden nach ihrem Verschwinden, eine SMS an ihren früheren Freund und Mitbewohner geschickt: »Ich komme später. . .«
Staatsanwalt Ralf Vetter sagte gestern, es sei nicht nur diese Kurznachricht gewesen, die die Profiler des Landeskriminalamtes zu dem Schluss gebracht hätten, dass Frauke Liebs im Raum Nieheim gefangengehalten wurde: »Die Experten haben in wochenlanger Arbeit sehr viele Puzzleteile zusammengesetzt, bevor sie zu ihrer Einschätzung gelangt sind. Ich habe keinen Zweifel mehr daran, dass das spätere Mordopfer tatsächlich im Großraum Nieheim gefangengehalten worden ist.«
So gehen die Ermittler davon aus, dass der Mann in den Tagen nach der Entführung sechs Mal mit Frauke Liebs in den Raum Paderborn gefahren ist, um sie von dort aus mit ihrem Ex-Freund telefonieren zu lassen. »Der Täter rechnete damit, dass wir die Handy-Verbindungsdaten irgendwann auswerten würden, und wollte möglicherweise bewusst vom Raum Nieheim ablenken«, erklärte Hauptkommissar Ralf Östermann, der Leiter der Mordkommission. Damit, dass der Täter Frauke Liebs telefonieren ließ, hatte er erreicht, dass die Polizei im Juni 2006 zunächst nicht mit einem Großaufgebot nach der 21-Jährigen gesucht hatte.
Die Kripo vermutet den Mörder weiterhin in dem großen Bekanntenkreis des Opfers, das aus Lübbecke stammt. 500 Verwandte, Freunde und Bekannte sind inzwischen befragt worden. Die Männer unter ihnen werden jetzt auf mögliche Verbindungen in den Raum Nieheim hin überprüft. Außerdem lässt die Mordkommission in den kommenden Tagen Flugblätter mit Fragen an alle 5000 Haushalte der Stadt verteilen und neue Fahndungsplakate aufhängen. Östermann: »Vielleicht erinnert sich ja jemand daran, dass sich ein Freund, ein Arbeitskollege oder ein Nachbar zwischen dem 21. und 28. Juni sonderbar verhalten hat.« Man könne auch nicht ausschließen, dass der Täter eine Freundin oder eine Ehefrau habe und sein Entführungsopfer unbemerkt von seinem Umfeld an einem abgelegenen Ort gefangengehalten habe - vielleicht in einem Wohnwagen, einer Jagdhütte, einem Keller oder einer Ferienwohnung. »Möglicherweise hat er Frauke Liebs sogar als seine Freundin ausgegeben und sich mit ihr in einer der zahlreichen Ferienhaussiedlungen eingemietet, die es im Raum Nieheim gibt«, sagte der Kriminalbeamte.
Die Profiler des Landeskriminalamtes halten es für »sehr wahrscheinlich«, dass es ein Einzeltäter war, der die Schwesternschülerin am 20. Juni in der Paderborner Innenstadt ansprach und dazu bewegte, in sein Auto zu steigen. »Ganz ausschließen wollen sie aber nicht, dass es auch mehrere Männer oder auch ein Pärchen gewesen sein könnten«, erklärte Staatsanwalt Vetter.
Er appellierte gestern noch einmal an alle Bürger im Großraum Nieheim/Paderborn, der Polizei jede noch so unwichtig erscheinende Beobachtung aus der Zeit der Fußballweltmeisterschaft zu melden. »Wir freuen uns über jeden Anruf. Wirklich!«, versicherte Vetter.

Artikel vom 24.01.2007