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»Serbien ist der entscheidende Faktor für Stabilität auf dem gesamten Balkan.«

Leitartikel
Serbien nach der Wahl

Über den
Schatten
springen


Von Dirk Schröder
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Bei all den optimistischen Äußerungen aus den Reihen der internationalen Gemeinschaft, die Serbien nach dem Ausgang der Wahlen vom Sonntag schon auf dem Weg in die Europäische Union sehen, ist mehr der Wunsch der Vater dieser Gedanken. Da wird die Realität gern schon einmal beiseite geschoben. Verständlich, ist Serbien doch der entscheidende Faktor für Stabilität auf dem Balkan.
Tatsache ist jedoch: Die nationalistisch orientierte Radikale Partei, die vornehmlich für die internationale Isolation verantwortlich ist, bleibt auch nach der Wahl stärkste Kraft im Land. Und die demokratischen Kräfte, die zwar dazu gewonnen haben - wenn auch nicht so stark wie erhofft -, sind bislang noch hoffnungslos zerstritten. Dabei könnten sie das Land aus der Sackgasse führen, wenn sie endlich an einem Strang zögen.
90 Tage haben die Demokraten Zeit, eine gemeinsame Regierung zu bilden. Drei Monate, die darüber entscheiden werden, ob der gefährliche Brandherd »Balkan« gelöscht werden kann. Präsident Boris Tadic und seine DS sowie der amtierende Regierungschef Vojislav Kostunica und seine DSS wissen natürlich, dass Serbien endgültig in den wirtschaftlichen Abgrund rutscht, wenn sie sich nicht einigen. Dennoch bleibt es zweifelhaft, ob sie über ihren Schatten springen werden.
Europa befindet sich in dieser Situation in einer Zwickmühle. Auch wenn Belgrad die EU immer wieder enttäuscht hat und deshalb das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen auf Eis liegt. Es muss alles getan werden, damit das Land auf den europäischen Weg zurückfindet. Das wird nicht leicht neben den vielen anderen Aufgaben, die in den nächsten fünf Monaten auf Bundeskanzlerin Angela Merkel als EU-Ratspräsidentin warten. Doch der Balkan muss auf der Prioritätenliste weit oben stehen.
Erwähnt werden soll aber, dass die internationale Gemeinschaft hat bisher schon deutliche Signale ausgesendet hat, dass man die demokratischen Kräfte Serbiens als Partner haben will. Dazu gehörte unter anderem die Einladung durch die NATO zum Programm »Partnerschaft für Frieden«.
Und nicht zuletzt mit der Verschiebung der Entscheidung über den Status des Zankapfels Kosovo auf einen Zeitpunkt nach der Wahl wollte man den Radikalen Wind aus den Segeln nehmen.
Am Freitag will UN-Vermittler Martti Ahtisaari nun der Kosovo-Kontaktgruppe seinen Vorschlag für eine endgültige Regelung vorlegen. Um nicht von vornherein strikte Ablehnung in Belgrad und Pristina auszulösen, kann der Vorschlag nur lauten: Unabhängigkeit mit Einschränkungen der Souveränität sowie einer Sicherheitsgarantie für die Minderheiten.
Nur so kann neue Gewalt der unruhiger werdenden Albaner im Kosovo verhindert werden. Und vielleicht arbeiten Tadic und Kostunica doch noch zusammen und überzeugen ihre Landsleute, dass dies der Preis für Wohlstand und den Weg in die EU ist.
Wie gesagt, die Hoffnung stirbt zuletzt.

Artikel vom 25.01.2007