24.01.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Traum statt Alptraum

Island: Schmaler Grat zwischen Aus und Titelaspirant

Von Volker Krusche
Magdeburg/Halle (WB). Deutschland aufgepasst! Island hat eindrucksvoll vorgemacht, wie man WM-Topfavorit Frankreich in die Knie zwingt.

Aufatmen bei der Konkurrenz, denn »Les Bleus« sind nicht unbesiegbar. Dafür setzten die Isländer ein Ausrufezeichen, dass die Mitstreiter aufhorchen lässt.
Unterschiedlicher können Gefühlswelten nicht sein: Traumspiel statt Alptraum. Ein ungeahnter Erfolg nach einer nie und nimmer erwarteten Pleite. Island sprang dem WM-»Tod« mit dem 32:24-Kantersieg (mit 20:9-Zwischenstand) gerade noch mal von der Schippe. »Das war unser bestes Spiel seit Jahren, eine überragende Leistung«, jubelte Lemgos fünf Mal erfolgreicher Linksaußen Logi Geirsson, im Team von Alfred Gislason allerdings im linken Rückraum spielend. »Ich wollte zwar wieder nach Lemgo, aber so früh nun auch nicht«, war der Frust des Vortages nach der 29:32-Pleite gegen die Ukraine längst dem Flachsen gewichen. »Es sah alles so schwarz für uns aus - und 24 Stunden später bin ich der glücklichste Mensch der Welt.«
Ein Ostwestfalen-Quartett hatte maßgeblichen Anteil am Coup der Isländer. Neben Logi Geirsson und seinem TBV-Kollegen Asgeir Hallgrimsson (2) noch Mindens Spielmacher Snorri Gudjonsson (4), vor allen Dingen aber Lübbeckes Torhüter Birkir Ivar Gudmundsson. Mit elf tollen Paraden, darunter zwei gehaltenen Siebenmeter, stellte der 104-malige Nationalspieler seine Klasse unter Beweis und wurde zu Recht zum »Spieler des Spiels« gewählt. »Es war ein phantastisches Erlebnis. So ein Spiel erlebst Du nicht alle Tage. Die Rückendeckung durch die tollen Magdeburger Fans hat uns zusätzlich beflügelt.«
Was ist nun für die lockeren und sympathischen Isländer alles möglich? »Nach diesem Befreiungsschlag vielleicht alles. Weil wir an uns glauben. Und dann kann man auch mal so ein unglaubliches Spiel hinlegen«, schrie Snorri Gudjonsson die ganze Last lauthals aus seiner Kehle. »Jetzt ist das Turnier ganz offen für uns.«
Doch wo liegt nun das Geheimrezept der »Nordmänner«? Trainer Alfred Gislason (»Ich habe unbeschreibliche 24 Stunden hinter mir, da ein Ausscheiden in Island eine große Katastrophe gewesen wäre«) lobt die starke Mentalität seiner Spieler: »Das kann sich jeder selbst motivieren!« Und die Akteure loben ihren Coach. »Alfred hat nach der Niederlage gegen die Ukraine alles in unsere Hände gelegt. Er weiß genau, wann er was sagen muss und wann nicht.«
Und noch etwas anderes macht die Stärke der Isländer aus: Zeit für die Familie und ab und an auch mal ein Bierchen.

Artikel vom 24.01.2007