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Der DHB-Bus wird zum Ersatzhotel

Kaiserau - Dortmund - Kaiserau: Pendelverkehr an drei Hauptrunden-Spieltagen


Von Johnny Dähne
Halle (WB). »Was will der blöde Kerl da hinter mir nur?« Allzu oft dürfte Gerhard Wirths während seiner Dienstfahrten diese Frage bei vorausfahrenden Frauen noch nicht provoziert haben.
Anders als im Schlager-Hit »Im Wagen vor mir« von Uschi und Henry Valentino fährt Wirths Bus - und zwar den der deutschen Handball-Nationalmannschaft.
Mit maximal 100 Kilometern pro Stunde kutschiert der 59-Jährige das Team durch das Land, derzeit zu den Hauptrundenspielen von Kaiserau nach Dortmund. Viel zu tun hatte Wirths in den WM-Tagen von Halle nicht, lag das Spielerhotel bislang doch nur einen Steinwurf weit entfernt vom Gerry-Weber-Stadion.
»Ich habe früher eigentlich nur Fußball gespielt«, gibt der aus dem oberbergischen Waldbröl stammende Bus-Unternehmer zu, »aber seit der Kindheit habe ich mir die Europapokal-Spiele des VfL Gummersbach angeschaut.« Die Idee, den Handballern nicht nur zuzujubeln, sondern sie auch zu befördern, setzt Gerhard Wirths seit der Saison 1997/98 um. »Gerdi«, wie er von den Spielern des VfL Gummersbach genannt wird, fährt den VfL und die Handballer von Zweitligist Bergischen HC zu ihren Auswärtsspielen. Die Nationalspieler gehören seit September 2004 zu seinen »Kunden«.
»Vergessen hab' ich an der Raststätte noch keinen«, lacht Wirths, der jeden einzelnen Spieler in sein Herz geschlossen hat: »Es ist mit allen ein wunderbares Miteinander.« Während der Weltmeisterschaft organisiert er zudem den Bustransfer aller 24 Mannschaften und musste so im Vorfeld mit seinem Sohn Marco die Luxusgefährte in »WM-Form« bringen.
Dabei besitzt der deutsche Bus eine Ausnahmestellung: Das ehemalige Promotions-Fahrzeug von Michael und Ralf Schumacher ist ein Unikat und kostete damals 2,2 Millionen Mark. Über mangelnden Komfort an Bord hat sich bisher noch niemand beschwert: Mikrowelle, Spülmaschine, Bar, Kühlschränke, Lederausstattung und DVD-Player - alles ist vorhanden.
Zudem verfügt jeder Sitzplatz der Kehrmann, Hens und Kollegen über einen eigenen Bildschirm, auf dem auch digitales Fernsehen empfangen werden kann. Die 15 Meter Buslänge sind auf vier Achsen verteilt und werden von 530 PS angetrieben. Die Sitzverteilung ist laut Wirths »eigentlich klassisch. Vorne sitzt Bundestrainer Heiner Brand mit seinem Co-Trainer Martin Heuberger.
Bleibt nur zu hoffen, dass in dieser Konstellation demnächst die Kölnarena angesteuert wird. Das würde das Viertelfinale für das deutsche Team und einige rätselnde Menschen auf der Autobahn bedeuten: »Sag' mal, ist das im Bus vor uns Deutschland?«

Artikel vom 26.01.2007