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Das Viertelfinale ist ganz nah

Deutschland fertigt auch Tunesien ab - Fritz und Zeitz beim 35:28 überragend

Von Oliver Kreth
Dortmund (WB). Jetzt kann es märchenhaft werden. Auch das zweite Spiel der Hauptrunde hat die deutsche Nationalmannschaft gewonnen. In der alten Europacup-Heimat des VfL Gummersbach besiegte das Team von Heiner Brand Tunesien 35:28 (19:11) und weist jetzt 4:2-Punkte in der Hauptrundengruppe 1 auf.

Logisch, dass der Bundestrainer über das Resultat glücklich war: »Mit 40 Minuten war ich sehr zufrieden. Wir haben in der Abwehr den Grundstein gelegt, haben die Tunesier zu Fehlern gezwungen. Nur im Angriff hatten wir zunächst Schwierigkeiten, sind dann aber ins Rollen gekommen.« Glücklich war auch Florian Kehrmann. Der Lemgoer Weltklassemann: »Ich hätte nicht gedacht, dass wir nach Slowenien auch Tunesien so beherrschen können. Nach den nächsten beiden Spielen werden wir wissen, wo wir stehen.«
Die Teameinschwörung wird von Spiel zu Spiel intensiver, der Kreis war so dicht, dass darin nicht mal Brand - er gönnte den Matchwinnern von Halle zunächst keine Ruhe - darin Platz hatte. Aber vor allem Abwehrchef Oliver Roggisch und Torwart Johannes Bitter testeten erneut die Festigkeit ihrer Brustkörbe.
Im deutschen Kasten begann allerdings erneut Henning Fritz, dessen Körpersprache beim 35:29 gegen Slowenien dem Bundestrainer wieder gefallen hatte. Doch das Führungstor der Tunesier konnte auch er nicht verhindern, doch Christian Zeitz, der seine beste WM-Partie spielte, fackelte den Ball zum schnellen Ausgleich ins Netz der Mannschaft von Sead Hasanefendic.
Beide Teams starteten nervös. Bei Tunesien verständlich, lagen die Nordafrikaner doch vor der Partie mit 0:4-Punkten bereits am Tabellenende. Doch auch die Deutschen hatten zunächst Schwierigkeiten. Erst nach knapp acht Minuten fingen sich die vom Publikum begeistert Empfangenen, gingen erstmals in Führung, dann hielt Henning Fritz (Brand: »Er hat etwas aus der insgesamt tollen Teamleistung herausgestochen«) einen Siebenmeter von Anouar Ayed. Deutschland erzielte fünf Tore in Folge, und der angeblich vom TBV Lemgo umworbene Trainer Hasanefendic nahm in der 12. Minute eine Auszeit beim 3:6.
Tunesien versuchte, mit Härte den Spielfluss der Deutschen zu zerstören. Doch die Brand-Buben ließen blieben ganz cool. Außerdem kümmerte sich Florian Kehrmann in der Abwehr bisweilen »rührend« um den müden Rückraum-Riesen und vermeintlichen Torgaranten Wissem Hmam, der deshalb in der ersten Hälfte nur drei Tore erzielte.
Die Emotionen kochten bereits in der 23. Minute zum zweiten Mal hoch, als der schnelle »Flo« Kehrmann von Schlussmann Maroaune Magaiez einen Bodycheck erhielt. Es kam zur spontanen Rudelbildung. Doch derzeit ist die deutsche Brust sooooo breit. Und allein Henning Fritz, er wurde zum Spieler der Partie gewählt, war in Durchgang eins für einen Sechs-Tore-Vorsprung verantwortlich.
Deutchland hielt den Vorsprung gegen die immer müder werdenden Afrikaner auch in der zweiten Hälfte sicher, spielte dabei weiter auf einem hohen Niveau.
Handball afrikanisch boten die klar Unterlegenen, als Keeper Wassim Hlel in der 38. Minute bei doppelter Unterzahl zum fünften Feldspieler mutierte. Die Konsequenz: Deutschland ging mit zehn Treffern in Führung (24:14, 25:15). Dann gönnte Brand Spielmacher Markus Baur eine Pause und brachte »Bravo-Boy« Michael Kraus. Der führte zwar nicht ganz so souverän Regie wie der 36-jährige Lemgoer, doch einen Anstieg seines Pulses wie auf dem Crosstrainer erlebte der Gummersbacher Coach bis zum Abpfiff nicht mehr. Denn immer mehr bestätigt sich in den Partien: Ist der »Ersatzmann« gefordert, ist dies keine Schwächung. Auch nicht, wenn Lars Kaufmann, Dominik Klein, Holger Glandorf, Johannes Bitter zu den sieben Mann auf dem Parkett gehören.
Heute wird regeneriert. Morgen oder am Sonntag sollen dann die »notwendigen Punkte für das Viertelfinale geholt werden«, so Brand. Ob man da als Erster oder Vierter einzieht, ist dem Bundestrainer egal, denn ab »dann gibt es nur schwere Gegner«.
Die Spieler haben es ja schon vor der WM gesagt: Der Titel ist das Ziel. Und hörte sich dies nach den Vorrundenpartien noch etwas aufgesetzt an - spätestens nach dem verdienten Sieg gegen Tunesien ist klar: Das muss kein Märchen aus 1000 und einer Nacht bleiben. Das kann Realität werden.

Artikel vom 26.01.2007