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Aldous Huxley

»Nichts bewahrt so gründlich vor Illusionen als jeden Morgen ein Blick in den Spiegel.«

Leitartikel
Alt und Jung im Widerstreit

Was sich x-fach rechnen würde


Von Rolf Dressler
Ja, ja, die vielen (viel zu vielen?) Alten und die immer wenigeren Jungen! Nimmt man, in all dem Stimmengewirr auf abgewogene Sicht bedacht, beim Wort, was da hitzig hinüber und herüber polemisiert wird, dann fährt Deutschland schon sehr bald vor die Wand, hat unser Volk seine Zukunft schon heute unausweichlich hinter sich.
Doch ein Großteil dieser teils irrlichternden Polemiken entbehrt durchaus nicht einer gewissen Komik. Anderes wirkt nur schlicht peinlich, fällt auf seine oft lausig lautsprecherischen Urheber zurück. Ganz vorn rangiert die All- zweckhorrorwaffe vom »Vergreisen der Republik«. Sie macht sich besonders gut, wenn den Alten, die es als Einheitsgruppierung so übrigens gar nicht gibt, gleich zweierlei bedeutet, vorgehalten, angekreidet wird:
- dass sie länger (aktiv) leben als frühere Generationen
- und obendrein, mehr oder minder leichtfertig bis bedenkenlos, angeblich die Zukunft der Nachgeborenen verfrühstücken.
Auf solchem Boden sprießen Sumpfblüten, weiden (sich) genüsslich geübte Polit-Ideologen und sonstige Mißstimmungskanoniere. Einer zum Beispiel, immerhin Präsident des Hamburger Welt-Wirtschafts-Archivs, bittet in einem öffentlichen Brief an die eigenen Kinder geradezu flehentlich: »Vergebt uns unsere Schulden!" Und in einer E-Mail »an alle Kinder des Jahrgangs 2007« bedauert ein anderer schon heute zutiefst: »Ihr werdet einmal unsere Zeche zahlen...!« Soll drohend heißen: Wer jünger als 45 ist, zahlt künftig kräftig drauf.
Das verheißt knallige Schlagzeilen, gießt zusätzlich Öl ins Feuer der Entsolidarisierung von unten. Wichtige Wahrheiten und Wirklichkeiten aber bleiben dabei auf der Strecke. Dazu ein paar unumstößliche Fakten:
- Die jetzige Rentner-Generation hat nicht nur eine historisch grandiose Wiederaufbauleistung vollbracht, sondern ihren Kindern und Kindeskindern zu einem Wohlleben verholfen, wie es in der überaus wechselvollen Geschichte Deutschlands, Europas und sogar der Welt im ganzen bis dahin ohne Beispiel gewesen war.
- Der jetzigen Rentner-Generation, wem sonst, haben die Jüngeren ein Fundament zu verdanken, auf dem sie mit Bedacht und Einfallsreichtum die eigene Zukunft bauen können.
Also, all ihr Missmutmacher und Schlechtredner: Absolut nichts ist verloren, verspielt, verfrühstückt, im Gegenteil. Denn wenn nicht unsere Kinder und Kindeskinder in Wohlstand und Freiheit, welche Generation denn dann sollte das Morgen und Übermorgen unseres Gemeinwesens dauerhaft tragfähig gestalten können?
Vielleicht lässt sich dann ja so- gar die folgenschwerste gesellschafts-, sozial- und rentenpolitische Fehlsteuerung überhaupt korrigieren: Hausfrau und Mutter müsste endlich als vollgültiger Beruf anerkannt und zum Nutzen aller angemessen bezahlt werden, Krankenversicherung und Altersvorsorge eingeschlossen.
Das zu erreichen würde sich im besten Wortsinn x-fach auszahlen. Für Land und Leute.

Artikel vom 23.01.2007