25.01.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Kein Märchen: ein Handballfilm

Winfried Oelsner und Frederik Walker begleiten deutsches Nationalteam

Von Oliver Kreth
Halle (WB). »Deutschland, ein Wintermärchen« wird der Film nicht heißen. Und auch sonst orientiert sich Regisseur Winfried Oelsner nicht am Kicker-Kino-Erfolg von Sönke Wortmann. Denn anders als beim Fußball-Film soll bei dem 2007er Ballspiel-Beitrag der Dokumentarcharakter im Vordergrund stehen.

Im Frühsommer 2006 sprach Produzent Stefan Limbach den Berliner Oelsner an, ob er Interesse an diesem Projekt habe. Der 34-Jährige sagte sofort zu, denn »so eine Chance bekommt nicht oft«. Vor dem ersten Dreh galt es allerdings, noch eine Hürde zu überwinden. Was sagen der Verband, Bundestrainer Heiner Brand und die Mannschaft zu dieser Idee?
Oelsner blickt zurück: »Der Bundestrainer war ein bisschen skeptisch, stand dem Projekt ein wenig kritisch gegenüber.« Man einigte sich auf einen Test beim Lehrgang in Steinbach. Das Ein-Mann-Team erstellte nach dem Besuch eine Probe-DVD, zeigte sie Mannschaft und Trainer und im Oktober 2006 stand die Entscheidung: Die Klappe darf fallen, der Film wird gemacht.
Seit der Zeit ist auch Kameramann Frederik Walker dabei, der viel für den WDR (»Die Story«) dreht. Das Duo teilt sich den Fulltime-Job, denn nichts wäre schlimmer, als wenn ihnen etwas entgehen würde. Richtig los ging es dann beim Worldcup in Bremen, Hannover und Schweden. Die heiße Drehphase begann aber erst am 3. Januar am Ammersee.
Wie Wortmann kleiden sich auch Oelsner (seine bekanntester Film ist »Tsunami«, Pro7) und Walker im offiziellen Trainingsoutfit der deutschen Nationalmannschaft. Und wehe, sie sind nicht bei allen Trainingseinheiten dabei. So fragten die Spieler nach einer morgendlichen Laufeinheit in Herrsching: »Wo wart ihr?« - als sich die Filmer mit ihren Handycams um 7.30 Uhr noch nicht aus dem Bett quälen wollten.
Sportler waren die beiden Berliner nicht - nur immer sportinteressiert. Oelsner: »Handball war mir nicht völlig fremd, aber ich bin kein Experte. Aber ich liebe den Profisport.«
Die Herangehensweise ist anders als bei Wortmann (»Fußball ist Fußball, Handball ist Handball, es sind andere Vorraussetzungen und ganz andere Typen«), aber auch »wir wollen einen inneren Blick in die Mannschaft« sagt Oelsner, der den Tour-de-France-Film »Höllentour« als Vorbild für seinen Film sieht.
Diesen inneren Blick werden sie bekommen. Der Umgang mit Team und Mannschaftsverantwortlichen ist freundschaftlich, ausgeschlossen wurden die Beobachter noch nie. »Nur so können wir auch dem Zuschauer das Gefühl vermitteln, dass sie als Spieler selber dabei gewesen wären«, erläutert Oelsner.
Mit dem bisher Abgedrehten sind sie sehr zufrieden. Viele emotionale Höhepunkte, die Stimmung, Enge und Dramatik in den Hallen, der Konkurrenzkampf im Kader. »Die Spieler sind sehr aufgeschlossen, offen und eloquent, sie gehen respektvoll miteinander um. Es herrscht eine gute Stimmung im Team.« Keine Gnade kennen die Brand-Männer nur beim Pokern. Da zahlten die TV-Jungs Lehrgeld in Euro-Währung.
Am Ende der WM werden Oelsner und Walker rund 120 Stunden Bildmaterial (inklusive der Spiele) haben. Drei bis vier Monate braucht es, um einen fertigen Film zu produzieren. »Zeitnah, irgendwann im Sommer« soll er dann ins Fernsehen kommen, wahrscheinlich »zur Bundesliga-Eröffnung« meint Oelsner. Aber natürlich hofft der Regisseur, dass das Endprodukt wenigstens in Handballzentren wie Ostwestfalen-Lippe in die Kinos kommt - wie das Wortmanns Kicker-Märchen: »Natürlich ist ein Vergleich legitim. Aber ich mache meinen Film. Der Rest ist mir wurscht.«

Artikel vom 25.01.2007