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Mit viel Geduld und
einer Portion Mutterwitz

Dialyse-Patientin Gertrud Dohse verliert nicht den Mut

Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Zu Anfang, gesteht Gertrud Dohse zu, sei sie etwas bange gewesen. »Ich musste mich auch erst an die Situation gewöhnen.« Die Situation, das ist die Dialysepflicht. Seit knapp zweieinhalb Jahren muss die 77-jährige Bielefelderin dreimal in der Woche ihr Blut »waschen« lassen. Mittlerweile aber hat sie ihr Leben danach eingerichtet, ist aktiv wie eh und je. Und blüht wieder auf.

Für Dr. Thorsten Franz, Leiter der Dialysestation im Bielefelder Franziskus-Hospital, ist Gertrud Dohse eine Vorzeigepatientin. »So wie sie mit der Krankheit umgeht, so positiv und aktiv, das ist bewundernswert«, sagt er. Und offensichtlich: Sie ist zum einen mit Geduld, zum anderen mit einer gehörigen Portion Mutterwitz gesegnet.
Dabei sah es für Gertrud Dohse vor knapp drei Jahren nicht so positiv aus. Für sie ziemlich unverhofft versagten ihre Nieren - »ich habe, hat man mir gesagt, familiäre Zystennieren.«
Es folgten eine Reihe von Operationen. »Sie schaffen das«, machten ihr die Ärzte im »Klösterchen« Mut. »Und sie haben mich wieder auf die Beine gebracht«, meint die Mutter von vier Kindern strahlend.
Was ihr wichtig ist: Auch »Köpfchen« hat sie nach wie vor. »Nach den Operationen und Narkosen wollte ich mit der Bankkarte Geld abheben - und hatte prompt meine Geheimnummer vergessen«, erzählt sie. »Aber Gott sei Dank hat sich alles normalisiert.«
Natürlich ist Gertrud Dohse eingeschränkt: Drei Vormittage in der Woche sind »weg«. Und nach den Dialysen fühlt sie sich auch erst einmal müde. Aber ohne diese Therapie, ist ihr klar, wäre sie längst tot. »Ich bin so dankbar, noch zu leben.« Klagen hören die Ärzte und Schwestern von ihr nicht: »Es geben sich hier alle so eine große Mühe, das wäre eine Unverschämtheit«, findet sie.
Gertrud Dohse trägt selbst dazu bei, dass es ihr gut geht: Sie hat sich informiert, folgt den ärztlichen Anweisungen und achtet auf ihre Ernährung und die Flüssigkeitszufuhr. Ob sie und die anderen Patienten über die Stränge geschlagen haben, merken die Ärzte ohnehin sofort: Schließlich beginnt jede Dialyse mit dem Schritt auf die Waage - und die verrät unbestechlich, wieviel Wasser der Körper eingelagert hat. »Man sollte sehr diszipliniert sein«, meint Gertrud Dohse. Und fügt hinzu: »Dafür habe ich ja meinen Verstand mitbekommen.« Ansonsten, meint sie schmunzelnd, passe der Stationsarzt Jürgen Rieger »wie ein Schießhund« auf sie auf.
Mit ihrer Erkrankung hadern mag sie nicht. Die Tage der Blutwäsche, sagt sie, nehme sie hin wie Sonne, Wind und Regen. Die Treffen mit Freunden, Stammtisch oder Kartenrunden - »ich lerne gerade Bridge« - finden eben an den anderen Tagen statt. »Andere gehen morgens auf die Sonnenbank oder zum Joggen, ich habe meinen Wellness-Vormittag im Klösterchen und bekomme noch das Frühstück ans Bett gebracht.«
Und man kennt sich auf der Station, schließlich treffen sich in etwa stets die gleichen Patienten. Mit Gertrud Dohse absolvieren just drei ältere Herren die Dialyse. Zwei hören entspannt mit Kopfhörer Musik, der dritte macht en Nickerchen. Die 77-Jährige liest das WESTFALEN-BLATT. Außerdem hat sie ein Buch dabei - für die letzte Stunde der Dialyse. »Manchmal erzählen wir uns auch einige Witze, wir sind hier ein netter Verein.« Mit einem Bettnachbarn und dessen Frau hat sie bereits einen Ausflug nach Cuxhaven an die Nordsee gemacht. »Er hatte mich gefragt, ob ich nicht mitkommen möchte; in Cuxhaven gebe es eine wunderschöne Dialyse.« Wichtig sei nur, sich rechtzeitig anzumelden.
Denn Sport oder Reisen, betont auch Dr. Thorsten Franz, seien für Dialysepatienten kein Tabu. Etwa 60 000 Menschen sind in Deutschland derzeit auf die Blutwäsche mittels Maschine angewiesen. Ewa ein Viertel von ihnen wartet auf eine neue Niere - im Schnitt sieben Jahre lang. »Weil die Dialyse heute wesentlich schonender geworden ist, gibt es einzelne Patienten, die 20 oder sogar 30 Jahre damit leben, wenn sie nicht schwere Begleiterkrankungen haben.«

Artikel vom 27.01.2007