22.01.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Mit jedem Produkt Geld verdienen«

Porsche-Vorstandschef Wendelin Wiedeking spricht exklusiv im WESTFALEN-BLATT

Stuttgart (WB). Porsches Einfluss im VW-Konzern wird immer größer. Der Sportwagenhersteller selbst eilt von Rekord zu Rekord. WESTFALEN-BLATT-Redakteur Wolfgang Schäffer sprach mit Porsche-Vorstand Wendelin Wiedeking (54) über Gegenwart und Zukunft.
Die erste Hälfte des aktuellen Geschäftsjahres neigt sich dem Ende zu. Gibt es wieder neue Rekordzahlen?Wiedeking: Wir werden die Halbjahreszahlen Ende des Monats auf unserer Hauptversammlung in Stuttgart bekannt geben. Früher ist das leider nicht möglich. Ich muss Sie deshalb noch um etwas Geduld bitten.

Wie reagieren Sie auf die Forderungen von Umweltminister Dietmar Gabriel (SPD), der den Verbrauch von Neuwagen auf fünf bis sechs Liter und den CO2-Ausstoß auf 140 Gramm pro Kilometer festschreiben will?Wiedeking: Die deutsche Automobil- und Zulieferindustrie zählt zu den größten Arbeitgebern in unserem Land. Die Bundesregierung wäre gut beraten, wenn sie bei ihren Forderungen und Gesetzesvorlagen deren Produktvielfalt berücksichtigen würde. Wir können doch nicht nur Kleinwagen produzieren. Dann würden wir nicht nur unsere Wettbewerbsfähigkeit sondern auch Tausende von Arbeitsplätzen verlieren. Die deutschen Hersteller haben immer an Technologien gearbeitet, die zu Emissionsreduzierungen geführt haben. Unsere neue Motorengeneration im Cayenne bietet beispielsweise nicht nur jede Menge Fahrspaß, sondern verbraucht auch spürbar weniger Kraftstoff. Damit sinken automatisch auch die Abgas-Emissionen.

Porsche hat angekündigt ein Hybridfahrzeug auf den Markt zu bringen, weil »der Markt das will«. Müssten Sie dann nicht irgendwann konsequenterweise auch einen Diesel bringen?Wiedeking: Ich erwarte, dass im Weltmarkt die Nachfrage nach Hybrid stärker sein wird als nach Diesel. Das Thema Hybrid findet man heute rund um den Globus. Es gibt inzwischen viele Länder, in denen Hybridfahrzeuge sogar von der Kfz-Steuer befreit sind. Wir alle wissen natürlich auch um die Nachteile von Hybrid. Auf Landstraßen oder Autobahnen haben Sie durch das Mehrgewicht keinen Verbrauchsvorteil, dafür aber im innerstädtischen Verkehr.

Wäre der Wasserstoff-Antrieb eine weitere Alternative?Wiedeking: Bisher gibt es viele Pilotprojekte, aber im Moment rechnet sich das noch nicht. Die Kosten sind insgesamt noch zu hoch.

Noch einmal zurück zum Thema Diesel. Audi hat im Q7 jetzt in Detroit einen Sechsliter-V12-TDI-Triebwerk mit 500 PS vorgestellt. Die Verbindungen zum Volkswagen-Konzern sind ja noch enger geworden. Und in Amerika könnte der Diesel in Zukunft möglicherweise auch ein Thema sein. Lockt da nicht der Griff ins Ingolstädter Motorenregal?Wiedeking: Wir prüfen das Thema Diesel regelmäßig. Aber diese Technologie würde dazu führen, dass der Motor in unserer Leistungsklasse mit bis zu 150 Kilo mehr Gewicht auf der Vorderachse lastet und damit die Porsche-typischen Fahreigenschaften beeinträchtigt. Ich bin sicher, unsere neuen Cayenne-Motoren mit Benzindirekteinspritzung beweisen, welches Potenzial noch im Otto-Motor steckt: Diese Technik reduziert den Kraftstoffverbrauch zusammen mit weiteren Maßnahmen um bis zu 15 Prozent. Man soll aber niemals nie sagen. Vielleicht verlangt der Markt irgendwann auch einmal einen Diesel von Porsche. Bis heute sehe ich dafür jedoch keine Notwendigkeit. Auch die BlueTec-Technologie (besonders saubere Dieseltechnik, Anmerk. d. Red.) ist l noch zu teuer in der Herstellung.

Stichwort Fahrspaß: Audi hat mit dem R8 einen reinrassigen Sportwagen im Programm. Sehen sie das Auto als möglichen Konkurrenten aus dem eigenen Haus?Wiedeking: Der R8 ist wichtig für die Markenbildung von Audi. Entscheidend ist aber auch, dass mit dem Auto Geld verdient wird. Das ist das Ziel für alle zukünftigen Produkte aus dem VW-Konzern. Ich bin überzeugt, dass der R8 ein Erfolg wird. Das heißt aber nicht, dass er für Porsche gefährlich wird. Denn hier dreht es sich um verschiedene Ebenen der Markenwahrnehmung.

Wie groß ist Ihr Einfluss auf den VW-Konzern inzwischen?Wiedeking: Wir haben angekündigt, bis zu 29,9 Prozent der stimmberechtigten Aktien übernehmen zu wollen. Derzeit halten wir 27,4 Prozent und haben schon heute einen entsprechenden Einfluss auf die Aufsichtsratsgremien.

Ihre Consulting-Gesellschaft hat sich darauf spezialisiert, Arbeitsabläufe zu durchleuchten und zu verbessern. Wie weit sind Sie schon in den Nischen und schauen, wo man etwas verbessern kann?Wiedeking: Der VW-Konzern beschäftigt selbst genügend gute Leute, um die Optimierungsprozesse in Gang zu setzen. Dennoch stehen wir bei Bedarf zur Verfügung. Beispielsweise hat die Porsche Consulting für die brasilianischen Werke einen Auftrag erhalten. Aber das steht nicht in Verbindung mit unserer Beteiligung. Schon in früheren Zeiten haben wir für VW gearbeitet.

In Wolfsburg sind Sie noch nicht tätig?Wiedeking: Nein.

Der VW-Aufsichtsrat hat der neuen Organisationsstruktur zugestimmt. Martin Winterkorn übernimmt dabei viele frühere Vorstandspositionen selbst. Ist das nicht zu viel für eine Person ?Wiedeking: Ich beurteile das positiv. Auch weil ich die Notwendigkeit sehe, dass genau diese Aufgaben in der Zukunft intensiver wahrgenommen werden sollten. Ich glaube, es stärkt zunächst einmal das Unternehmen insgesamt. Natürlich empfindet der eine oder andere die neue Struktur als zentralistischer im Vergleich zu früher. Aber die einzelnen Marken können weiterhin autark ihre Märkte bearbeiten, und ihre Markenidentität bleibt unangetastet. Wichtig ist, dass sämtliche Synergien ausgeschöpft werden können, um den Gesamtkonzern auf Erfolgskurs zu halten. Damit alle Marken attraktive Produkte zu attraktiven Preisen anbieten können, ist diese Organisationsform notwendig. Ich stehe zu 100 Prozent dahinter.

Noch bestimmt Christian Wulff als Vertreter von Niedersachsen die beiden Aufsichtsratsmitglieder ohne Wahl. Wird sich das am 13. Februar so langsam ändern?Wiedeking: Das VW-Gesetz berechtigt heute das Land Niedersachsen, zwei Mandate in den Aufsichtsrat zu entsenden, ohne Wahl durch die Hauptversammlung. Dieses Gesetz steht jetzt durch eine Klage der EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof auf dem Prüfstand. Auch wir halten es nicht mehr zeitgemäß. Denn es beschränkt unser Mitspracherecht im Aufsichtsrat auf 20 Prozent, obwohl wir zur Zeit 27,4 Prozent der Aktien besitzen. Das bedeutet für mich eine Behinderung des freien Kapitalmarktes. Ich bin sicher, das Gesetz wird bald der Vergangenheit angehören.

Sie haben öfter gesagt, für die VW-Gruppe insgesamt wäre es erstrebenswert, Toyota nachzueifern.Wiedeking: Toyota ist heute in Bezug auf die Produktivität weltweit Maßstab. Bei Fahrspaß, Fahreigenschaften und Design brauchen sich die Marken des VW-Konzerns aber nicht hinter Toyota zu verstecken. Das heißt, wenn wir es schaffen, die hervorragenden Produkte kostengünstiger herzustellen, dann wird der Wettbewerb nicht nur für Toyota noch härter.

Wie sehen Sie Wachstum, Qualitätsverbesserung und Markt für VW in der Zukunft?Wiedeking: Ich sehe für alle Marken des Konzerns große Chancen. Wenn ein Unternehmen Wachstumspotenzial hat, dann ist es sicher der VW-Konzern. Das leite ich allein schon aus der Technologiekompetenz ab. Die Produkte sind heute schon hervorragend. Wenn sich das Unternehmen auf der Kostenseite noch besser aufstellt, dann ist VW unschlagbar. Ich bin davon überzeugt, dass das zu erreichen ist.

Noch einmal zurück zur Marke Porsche und hier speziell zur vierten Baureihe, dem Panamera. Wie ist der aktuelle Stand? Wiedeking: Wir haben erste Erprobungsfahrten hinter uns, und ich sage Ihnen: Der Panamera ist gut unterwegs. Ich bin überzeugt, dass wir 2009 ein Top-Produkt auf den Markt bringen werden, das auch wirtschaftlich ein Erfolg sein wird.

20 000 verkaufte Einheiten im Jahr?Wiedeking: Wir gehen von 20 000 Fahrzeugen pro Jahr aus. Aber wir beobachten schon sehr genau die Entwicklung in Ländern wie China und Russland. Gerade in diesen jungen Wachstumsmärkten ist das künftige Absatzpotenzial noch schwer einzuschätzen.

Artikel vom 22.01.2007