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Junges Mutterglück mit 16
Wie eine minderjährige Schülerin aus Löhne die Geburt ihres Babys meistert
Liebevoll streichelt Jessica O. ihrer Lea-Sophie durch die Haare. Sie lächelt. Doch das war nicht immer so. Lange Zeit konnte sich die 16-jährige Löhnerin nicht auf die Geburt ihrer Tochter freuen.
»Als ich mit 15 schwanger wurde, war das ein Schock für mich. Es war ein Gefühl, als würde mir jemand den Boden unter den Füßen wegreißen«, sagt die Gesamtschülerin.
Lange Zeit hatte sie Angst, sich jemandem anzuvertrauen. Nur ihrer besten Freundin erzählte sie von ihrer Schwangerschaft. Ihre Eltern erfuhren erst im siebten Monat, dass ihre Tochter ein Kind erwartet. »Es hat uns schon enttäuscht, dass Jessica so wenig Vertrauen zu uns hatte. Vorwürfe haben wir ihr aber nicht gemacht«, sagt Mutter Kornelia O. In gewisser Weise sei sie sogar froh gewesen, erst zu diesem späten Zeitpunkt davon erfahren zu haben. »Somit war die Erwägung einer Abtreibung hinfällig.«
Nachdem Jessica O. ihrer Familie und ihrer Schule Mitte November von der Schwangerschaft erzählt hatte, endete für die 15-Jährige ein monatelanges Versteckspiel und Verleugnen. »Ich war so erleichtert, endlich mit jemandem darüber reden zu können. Denn die Belastung wurde von Tag zu Tag größer«, sagt die junge Mutter.
Dass niemand etwas von der Schwangerschaft bemerkte, lag nicht nur daran, dass sich Jessica O. in den Anfangsmonaten körperlich kaum veränderte. Vielmehr wusste sie das Geheimnis in riskanten Situationen für sich zu behalten. So zum Beispiel beim Sportunterricht: »Den habe ich oft geschwänzt oder gesagt, ich sei krank. Schön war das aber auf keinen Fall.«
Erst als sich ihre beste Freundin an die Klassenlehrerin wendete, rückte die Neuntklässlerin zu Hause mit der Wahrheit heraus. Mutter Kornelia O.: »Ich konnte das zunächst gar nicht glauben, und mein Mann brauchte erst einmal etwas zur Beruhigung. Danach haben wir Jessica in den Arm genommen und ihr unsere Unterstützung versprochen.«
Um ihrer Tochter bei der Erziehung Lea-Sophies zu helfen, will die Mutter ihre Tätigkeit als Altenpflegerin unterbrechen. Hilfe erhält die Familie auch vom Jugendamt. Zu ihrem 19-jährigen ehemaligen Freund hat Jessica O. keinen Kontakt mehr. »Auch wenn meine Tochter jetzt ohne Vater aufwachsen muss, bin ich froh, dass die Beziehung zu Ende ist«, sagt die 16-Jährige, die in einem Bad Oeynhausener Krankenhaus entbunden hat. Lea-Sophie wog nach der Geburt 2800 Gramm und war 47 Zentimeter groß. Trotz der Strapazen war Jessica O. glücklich, als ihr Wonneproppen nach sechsstündiger Entbindung gesund auf ihrem Bauch lag.
Nicht nur die Unterstützung ihrer Familie ist groß. Auch ihre Mitschüler kümmern sich rührend um die junge Mutter. »Manchmal ist mir das sogar zu viel. Damit nicht alle auf einmal kommen, hat meine Lehrerin festgelegt, wer mich wann besucht«, sagt Jessica.
Im April möchte sie wieder zur Schule gehen, um die Mittlere Reife zu absolvieren. »Danach strebe ich eine Ausbildung an. Auch wenn es schwierig mit meiner Tochter zu vereinbaren sein wird, setze ich alles daran.« Mit der Hilfe ihrer Familie und Freunde ist sie sich sicher, ihre Ziele verwirklichen zu können.
Moritz Winde

Artikel vom 27.01.2007