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Hartmut Ostrowski wird Chef

Gunter Thielen übernimmt Aufsichtsratsvorsitz - Dieter Vogel scheidet aus

Von Bernhard Hertlein
Gütersloh (WB). Die Spatzen, die es seit Monaten von den Gütersloher Dächern pfiffen, haben sich nicht getäuscht: Hartmut Ostrowski (48) wird am 1. Januar 2008 als Nachfolger Dr. Gunter Thielens neuer Chef der Bertelsmann AG.
Die Treppe führt für ihn weiter nach oben: Hartmut Ostrowski, hier in der Arvato-Zentrale in Gütersloh, wird am 1. Januar 2008 Chef des fünftgrößten Medienkonzerns der Welt. Foto: Stefan Hörttrich
Sprecherin der Bertelsmann-Eigentümerfamilie ist Liz Mohn -Êhier mit Ehemann Reinhard.

Die Entscheidung fiel am Freitagnachmittag in einer Sitzung des Bertelsmann-Aufsichtsrates in Gütersloh. Ostrowski ist seit 2002 Chef der zweitgrößten Konzernsparte Arvato, die zugleich der größte private Arbeitgeber in Ostwestfalen-Lippe ist. Ostrowskis Vorgänger bei Arvato und nun auch in der Bertelsmann AG, Gunter Thielen, soll Anfang des kommenden Jahres zusätzlich zur Leitung der Bertelsmann-Stiftung in den Aufsichtsrat des Konzerns wechseln. Er wird dort den Vorsitz vom ausscheidenden Dieter Vogel übernehmen. Der Thyssen-Manager war 20 Jahre Mitglied und elf Jahre Vorsitzender des Kontrollgremiums.
In einem Brief an die Mitarbeiter lobten Liz und Reinhard Mohn nach der Bekanntgabe der Aufsichtsratsentscheidung: »Hartmut Ostrowski steht für exzellentes Unternehmertum, für wirtschaftlichen Erfolg, und nicht zuletzt repräsentiert er mit seinem partnerschaftlichen Führungsstil die bewährte Bertelsmann-Unternehmenskultur.«
Auch aus den Kreisen der Mitarbeiterschaft gab es positive Reaktionen. »Die gesamte Belegschaft der Arvato AG freut sich über die heutigen Entscheidungen des Bertelsmann-Aufsichtsrates«, erklärte Pressesprecher Gernot Wolf. »Wir sind stolz darauf, dass Hartmut Ostrowski dazu berufen wurde, Anfang 2008 die Nachfolge von Gunter Thielen an der Spitze der Bertelsmann AG anzutreten.« Ebenso freue man sich darüber, dass mit Rolf Buch wieder ein Mann aus den eigenen Reihen den Vorstandsvorsitz bei Arvato übernehmen werde.
Seitdem Thielen erklärt hatte, dass sein Nachfolger aus dem bisherigen Bertelsmann-Vorstand kommen werde, galt Ostrowski als Favorit. Außenseiter-Chancen wurden zuletzt noch Ewald Walgenbach, dem Chef der Direct Group, eingeräumt. Aus Kreisen des Unternehmens hieß es am Freitag, dass Walgenbach die Niederlage sportlich nehme und weiter für den Konzern erfolgreich tätig sein wolle. »Walgenbach ist nicht der Typ beleidigte Leberwurst«, hieß es.
Thielen hatte sich, bevor er im August 2002 den Chefposten in Europas größtem Medienkonzern übernahm, schon auf ein Ende seiner Karriere bei der Bertelsmann AG eingestellt. Dann wurde überraschend Thomas Middelhoff entlassen und eigens für Thielen die vorher bei Bertelsmann geltende Altersgrenze aufgehoben. Von Anfang an war jedoch klar, dass der Saarländer nur für eine Interimszeit zur Verfügung stehen kann. Er nutzte sie, um Verlustgeschäfte und Schulden abzubauen. Inzwischen nähert sich die Umsatzrendite den angestrebten zehn Prozent. Die Schulden allerdings sind wieder gestiegen. Um einen Börsengang zu vermeiden, erwarb Bertelsmann für 5,5 Milliarden Euro 25 Prozent der eigenen Aktien von der Brüsseler Finanzgruppe GBL zurück. Die Beteiligung hatte noch Middelhoff eingefädelt -Êals Ausgleich für die Mehrheitsbeiligung der Gütersloher an der erfolgreichen Fernsehgruppe RTL.
Der Aufstieg des 1835 von Carl Bertelsmann gegründeten Verlags für christliche Bücher zu einem weltweit führenden Medienkonzern begann 1947 mit dem Eintritt des damals 25-jährigen Reinhard Mohn. Er gab dem Konzern strenge Leitlinien. Management und Mitarbeiter sollen in die Verantwortung genommen und nach individueller Leistung bezahlt werden. Mit 60 Jahren zog er sich überraschend aus dem operativen Geschäft zurück und widmete sich fortan dem Aufbau der Bertelsmann-Stiftung.
Nachfolger Mohns auf dem Chefsessel von Bertelsmann wurde Manfred Fischer, der sich allerdings nach Flops in den Vereinigten Staaten nur zwei Jahre hielt. Anders Mark Wössner: In seiner Zeit an der Bertelsmann-Spitze wurde der Konzern immer internationaler. Er managte den Einstieg ins Fernsehgeschäft und kaufte 1998 die größte US-Buchverlagsgruppe Random House. Diese Akquisition wurde allerdings schon von Thomas Middelhoff eingeleitet, der dann 1998 sein Nachfolger werden sollte.

Artikel vom 20.01.2007