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Frech, frivol, frisch:
der perfekte Dreiklang

»Le Toreador« feiert umjubelte Premiere in Bielefeld

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Eigentlich unverständlich, weshalb »Der Toreador« von Adolphe Adam nicht fester Bestandteil der Spielpläne ist. Die frech-frivole Dreieckskomödie um Liebe, Erotik und Geld bietet beste Unterhaltung in Spielfilmlänge und hat das Zeug dazu, ein echter Publikumsliebling zu werden.

Das Theater Bielefeld hat dieses komische Opernfossil aus dem Jahre 1849 ausgegraben und Regisseur Michael Beyer bringt es in einer federleicht-satirischen Inszenierung auf die künstlich begrünte Dachterrassen-Bühne des Stadttheaters. Dort langweilt sich Coraline (Victoria Granlund), die auf Geheiß ihres Onkels eine Ehe mit dem pensionierten Torero Don Belflor (Jacek Janiszewski) eingegangen ist. Der notorische Schürzenjäger sperrt seine Angetraute daheim ein, um in Ruhe fremden Röcken nachjagen zu können. Doch Rettung naht: Tracolin (Simeon Esper), ein Flötist und Verehrer der ehemaligen Sängerin, ruft zu amourösen Abenteuern auf, denen sich Coraline gern hingibt. So befreit er sie nicht nur aus dem Kerker der Langeweile, sondern nistet sich auch noch geschickt bei dem Paar ein, nachdem er mittels einer Intrige dazu verholfen hat, Belflor des Ehebruchs zu überführen. Als Aufpasser und Liebhaber wird er zum Hüter der Doppelmoral und einer gelungenen »Ménage à trois«.
Vordergründig flach wie eine Seifenoper, hintergründig aber tiefgehend wie ein Kammerspiel: Die von Hans Richter eingerichteten Bühne zollt beiden Aspekten Tribut. So entwickelt sich das Spiel auf einer großen Penthouse-Dachterrasse. Eine geschmacklose Stierplastik zeugt von der Selbstherrlichkeit des Hausherrn. Wattige Schönwetterwolken parodieren den schönen Schein, den alle zu wahren versuchen -Êwas gar nicht so einfach ist bei einem Papagei, der alles ausplaudert.
Einfallsreich an Komik und Slapstick, hütet sich Beyer davor, Pappnasen vorzuführen. Sein Don Belflor ist eitel und selbstgefällig. Ein Mensch, dem seine Leidenschaft schnell zum Verhängnis werden kann. Jacek Janiszewski geht wundervoll in diesem Rollenspiel auf und verleiht dem Toreador mit bassgrundigem Schmelz auch stimmlich Gewicht. Tracolin ist ein Lebenskünstler, der aus jeder Lage das Beste macht. Simeon Esper gibt ihn mit der nötigen Lockerheit, mit Witz und perfektem Belcanto.
Grandios kommt Victoria Granlund als Coraline herüber. Sie singt und spielt zwischen gurrendem Täubchen und raffiniertem Luder vielfältige Facetten aus und brilliert als wahres Koloraturwunder. Mal quirlig, mal lyrisch tönt's aus dem Orchestergraben, wo Kevin John Edusei die Bielefelder Philharmoniker zu sprechendem Spiel animiert. Das Premierenpublikum zeigte sich begeistert.

Artikel vom 22.01.2007