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Nach vielen Enttäuschungen endlich Erfolg

Elf Ausbildungsplätze auf 100 Bewerber in OWL: Modellprojekte wie Re-Aktiva machen Hoffnung

Von Matthias Band
Löhne (WB). Drei Jahre lang hat Viktor Friesen einen Ausbildungsplatz gesucht - ergebnislos. Im Sommer 2006 hat es endlich geklappt - dank Re-Aktiva OWL. Jetzt absolviert der mittlerweile 20-Jährige beim Löhner Getränke-Hersteller Hansa-Heemann (Kreis Herford) eine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer.

Viktor Friesens Jobsuche erzählt von den Schwierigkeiten auf dem Ausbildungsmarkt, aber auch von den Hoffnungen, die mit Projekten wie Re-Aktiva OWL verbunden sind.
»Ich habe 2003 meinen Abschluss an der Hauptschule Vlotho gemacht. Dann bin ich auf das Wilhelm-Normann-Berufskolleg gegangen, weil ich keine Lehrstelle gefunden habe«, erzählt Viktor Friesen. Das Wilhelm-Normann-Berufskolleg in Herford richtet sich mit seinem Angebot speziell an Schüler ohne Ausbildung, erklärt Dr. Thomas Baecker, Projektleiter bei Re-Aktiva OWL und von 1992 bis 2005 Direktor des Herforder Arbeitsamtes. Baecker sagt, dass die Berufskollegs von vielen Schülern besucht würden, die zum Großteil gar keine Weiterqualifizierung wollten, sondern eine Lehrstelle suchten. Das Problem: Sie finden keine und suchen deshalb Zuflucht an den Berufskollegs. »Warteschleifen drehen«, nennt das der Fachmann.
So wie Viktor, der ein Jahr lang einmal pro Woche nach Herford fuhr, um dort in Deutsch, Holztechnik oder Computerkursen unterrichtet zu werden. »Den Rest der Zeit habe ich totgeschlagen oder mich beworben.«
»Elf offene Ausbildungsstellen standen Ende 2006 in Ostwestfalen-Lippe 100 Bewerbern gegenüber«, erklärt Thomas Baecker. Und weil auch für Viktor Friesen keine Lehrstelle in Sicht war, arbeitete er ein halbes Jahr lang als Produktionshelfer in Exter. »Irgendetwas musste ich doch machen«, sagt er. Doch dann lief der Zeitvertrag aus, und Viktor musste gehen.
Bis Ende 2005 hatte er 150 Bewerbungen geschrieben. Stets hatte er nur Absagen erhalten. Die Arbeitsagentur Herford finanzierte ihm 2006 eine Fördermaßnahme beim Esta-Bildungswerk. Ein Ausbildungsplatz sprang dabei jedoch nicht heraus.
Viktors Werdegang nach der Schule sei exemplarisch für viele Jugendliche, sagt Baecker: »Dabei braucht unser Land jeden jungen Menschen. In ein paar Jahren werden wir in vielen Branchen einen Fachkräftemangel haben.« Die Ausbildungsplatzsituation in Deutschland bezeichnet der Arbeitsmarktexperte als skandalös. »Ostwestfalen-Lippe wird bald die jüngste Region in der Bundesrepublik sein. Bis 2012 wird hier die Zahl der Jugendlichen weiter steigen.« Das Ausbildungsplatzangebot sei aber aufgrund der schlechten Konjunkturlage in den vergangenen Jahren nicht nachgewachsen.
Viktor Friesen kann mit diesen Zahlen nicht viel anfangen. Doch er weiß, wie sich junge Menschen fühlen, die keine Lehrstelle finden. »Ich fühlte mich schwach und dumm. Ich dachte, ich bin nichts wert.« Trotzdem hat er die Hoffnung nie aufgegeben. Und irgendwann musste sie doch kommen - seine Chance auf einen Ausbildungsplatz. Und sie kam. Nach drei Jahren. Als er von einem Bekannten von dem Ausbildungsplatz bei Hansa-Heemann hörte, hat er sich dort sofort beworben. »Wir hatten damals keine Anzeige geschaltet, nur einen Hinweis auf unserer Homepage, aber trotzdem mehr als 70 Bewerber. Wir sind regelrecht überrannt worden«, berichtet Alexandra Schröer, Personalreferentin bei Hansa-Heemann.
30 Bewerber wurden zu einem Test eingeladen. Viktor war dabei. Dann kam Re-Aktiva OWL ins Spiel: Die gemeinsame Initiative von Creos-Lernideen und Piening-Personal-Service hatte sich schon vorher an Hansa-Heemann gewandt, um anzufragen, ob das Unternehmen dazu in der Lage sei, zusätzliche Ausbildungsplätze anzubieten. Das Konzept überzeugte die Konzernleitung in Hamburg und Werksleiter Jens Strassner in Löhne.
Und Viktor Friesen passte ins Profil, das von den Kandidaten verlangt, mindestens ein Jahr lang keine Lehrstelle gefunden zu haben. Also übernahm Piening Viktors Förderung, und der 20-Jährige fing seine Ausbildung bei Hansa-Heemann an. Seitdem finanziert die Personal-Service GmbH seine Lehrstellenvergütung, kümmert sich um alle Verwaltungsangele-genheiten, die während seiner Ausbildung anfallen, und stellt den Jugendlichen pädagogisch geschulte Betreuer zur Seite, die Probleme erkennen sollen, bevor sie entstehen, wie Klaus-Peter Jansen von Creos-Lernideen betont: »Zum Beispiel, wenn es Motivationsprobleme gibt oder die Leistungen in der Berufsschule nicht mehr stimmen.«
Wie Viktor erging es auch Waldemar Garder. Der 18-jährige Löhner hatte sich zum gleichen Zeitpunkt bei Hansa-Heemann beworben. Die beiden teilen das gleiche Schicksal: Auch Waldemar fand nach der Schule keine Lehrstelle und ging auf eine Berufsschule in Herford, um sich im Bereich Wirtschaft und Verwaltung fortzubilden. Nach einem Jahr brach er die Weiterqualifizierungsmaßnahme ab.
Jetzt sind Viktor und Waldemar Teil eines Getränkekonzerns, der bundesweit etwa 600 Mitarbeiter beschäftigt. Stolz laufen sie mit ihrem olivgrünen Overall und ihrem hellblauen Cappy durch die Produktionshallen in Löhne - die Kleidung gehört bei Hansa-Heemann zur Corporate- Identity.
Und was passiert nach der Ausbildung? Werksleiter Jens Strassner: »Der Getränkemarkt für PET-Flaschen boomt. Wir sind ein ständig wachsendes Unternehmen. Wenn wir Viktor und Waldemar nicht übernehmen wollten, würden wir sie nicht ausbilden.«

Artikel vom 27.01.2007