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Pfarrer und
WGV-Lehrerin
wehren sich

»CH«-Flugblatt-Aktion sorgt für Ärger

Vlotho (VZ). In einem in Vlotho verbreiteten Flugblatt werden die Pfarrer Christoph Beyer (Valdorf), Winfried Reuter (St. Johannis Vlotho) und Geschichtslehrerin Inge Wienecke (Weser-Gymnasium) namentlich genannt und in herabwürdigender Weise durch ein Voltaire-Zitat als undemokratisch und intolerant bezeichnet. »Weil wir nicht, wie von den Neonazis im Collegium Humanum gewünscht, an ihrer Propaganda-Veranstaltung an diesem Wochenende teilnehmen«, erklärten die Betroffenen gestern.

Inge Wienecke, Christoph Beyer und Winfried Reuter haben schriftlich zu den jüngsten Vorgängen Stellung genommen. Ihr Brief im Wortlaut:
Das Collegium Humanum ist- nicht nur in Vlotho hinlänglich bekannt dafür, in Seminaren immer wieder für eine Erneuerung der Hitler-Herrschaft zu werben (»Der Volksstaat Adolf Hitlers als Vorbild« usw.). Bekannte Neonazi-Größen finden sich dazu im CH Vlotho ein. Darunter Horst Mahler, früher radikal linker RAF-Anwalt, heute ein Neonazi-Aktivist (sofern er nicht - wie derzeit mal wieder - im Gefängnis sitzt).
Nun ist es älteren Mitbürgern noch im Gedächtnis und jüngeren aus zahlreichen Überlieferungen bekannt, dass es sich bei der Hitler-Herrschaft um eine Diktatur handelt. Von freier Meinungsäußerung keine Spur. Im Gegenteil: Diejenigen, die dennoch ihre Meinung offen äußerten, wurden im KZ eingesperrt, viele wurden, wie Dietrich Bonhoeffer, umgebracht.
Deshalb verwundert es schon sehr, dass das Collegium Humanum für sich doch gern die Vorrechte des sonst viel geschmähten deutschen Grundgesetzes in Anspruch nimmt und in dem Flugblatt vom »sichersten Schutz vor jeder Diktatur« spricht. Toleranz wird mit einem Voltaire-Zitat angemahnt.
Toleranz wofür? Für einen Verein, der die Belange der Holocaustleugner vertritt, der nicht die Wahrheit sucht, sondern erneut in einer Propaganda-Veranstaltung versuchen will, die unzähligen Morde an jüdischen Mitbürgern im Dritten Reich abzustreiten. Einen Verein, der allen Ernstes die berüchtigte Teherankonferenz der radikalen Antisemiten im vergangenen Jahr als »völlig offene Pro- und Contra-Diskussion« bezeichnet!
Wir Unterzeichner der Stellungnahme wurden im Dezember 2006 zu der Veranstaltung am 19. Januar eingeladen, um - wie es wörtlich heißt - »diejenige Seite auf dem Podium zu vertreten, die eine Erörterung von Zeitgeschichtsfragen ablehnt«. Diese Rolle wird tatsächlich unter anderem einer Geschichtslehrerin am Gymnasium zugemutet!
Ganz nebenbei wurde uns auch zugesichert, dass uns niemand angreifen würde. Wie großzügig!
Eine sachliche und überzeugende Antwort auf die immer wieder von Neonazis vertretene Auschwitzleugnung bietet derzeit in der alten Ziegelei Lage die Ausstellung über die Firma »Topf und Söhne«, die im Dritten Reich riesige Verbrennungsöfen für die Opfer der Massenvergasungen in den Vernichtungslagern und Belüftungssysteme für die »effektivere« Nutzung der Gaskammern baute. Diese Ausstellung zeigt Hunderte von Beweisstücken sowie Zeugenaussagen von Sonderkommando-Häftlingen, die für die Beseitigung der Leichenberge zuständig waren.
Ironischerweise wurde gerade das Firmenarchiv von »Topf und Söhne« von dem Franzosen Jean-Claude Pressac (in jungen Jahren Holocaustleugner) zur Verfügung gestellt. Er hatte sich ursprünglich diese Dokumente beschafft, um Belege dafür zu finden, dass es die Massenvernichtung in Auschwitz nicht gegeben habe. Die Beweisfülle für die Gräueltaten in Auschwitz, die er fand, überzeugte ihn allerdings vom Gegenteil und er wandte sich von den Holocaustleugnern ab.
Wir empfehlen allen »Wahrheitssuchern« vom »Collegium Humanum« dringend einen Besuch dieser Ausstellung, schreiben Inge Wienecke, Christoph Beyer und Winfried Reuter abschließend.
Apropos Propaganda-Veranstaltung gestern Abend: sie soll wegen mangelnden Interesses ausgefallen sein.

Artikel vom 20.01.2007