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Hannelore Kraft

»Die SPD in NRW wird dafür sorgen, dass die Regierung Rüttgers nur eine Episode bleibt.«

Leitartikel
NRW-SPD

Mit neuer Kraft gegen Rüttgers


Von Reinhard Brockmann
Der politische Farbenwechsel in NRW ist gut eineinhalb Jahre nach dem Ende der SPD-Erbfolge am 22. Mai 2005 auch im letzten Hinterkopf angekommen.
Die SPD richtet sich in der Opposition ein. Die Berufsoptimisten von Franz Müntefering bis zur neu gewählten Landesvorsitzenden Hannelore Kraft übersetzen das freilich so: »Jetzt geht's los« und »2010 wieder gewinnen«. Auch die Gäste der Neujahrsempfänge von FDP und CDU bekamen die neue Zeit zu spüren. Jene Hundertschaften an Demonstranten und Polizei, die früher stets vor SPD-Parteitagen aufmarschierten, bildeten jetzt Spalier bei Rüttgers und Co. in Düsseldorf. Beinahe schon erstaunlich, dass es nur 900 Landesbeschäftigte und Gewerkschafter waren, die gegen Einschnitte im Öffentlichen Dienst und beim Personalvertretungsgesetz Druck machten.
Denn obwohl Hannelore Kraft als neue SPD-Spitzenkandidatin die schwarz-gelbe Landesregierung der absoluten Unfähigkeit zeiht, ist seit 2005 enorm viel geschehen, auch Unangenehmes - und das zeigt Wirkung. Die Landesfinanzen erholen sich, der Stundenausfall an den Schulen wurde halbiert und die Betreuung der unter Dreijährigen nimmt Formen an. Das sind alles Meldungen, die sich der letzte SPD-Ministerpräsident Peer Steinbrück und seine damalige Hochschulministerin Kraft auch gewünscht hätten.
Während Rüttgers in der zurückliegenden Woche 900 zusätzliche Lehrer gegen den Unterrichtsausfall und 400 Pädagogen für den Ganztagsunterricht ankündigte, schwang Kraft am Samstag die Keule: »Rüttgers raubt den Kindern in NRW Chancen, statt neue Chancen zu schaffen.«
Kein Wort auch in Krafts Bochumer Rede davon, dass Finanzminister Helmut Linssen (CDU) als guter Kaufmann die zulässige Schuldenaufnahme für 2006 um 2,4 Milliarden Euro unterschritt. Noch im Dezember hatte er sich in einem Nachtragshaushalt 4,1 Milliarden Euro Kredite genehmigen lassen. Vier Wochen später kam er mit 872 Millionen weniger aus. Verkehrte Welt: Der völlig hilflosen SPD-Finanzexpertin Gisela Walsken bleibt nur noch die Klage, der Finanzminister verschweige dem Landtag die tatsächliche Höhe künftiger Einnahmen.
Rüttgers ließ sich jedenfalls nicht kirre machen. Das wichtigste Ziel für 2007 sei, sagte er mit großer Gelassenheit, den Aufschwung zu stabilisieren. Sprudelnde Steuereinnahmen sofort wieder auszuschütten, sei unsinnig, lautet sein Mantra. »Irgendwann gibt es wieder einen Abschwung. Dächer repariert man aber am besten, solange die Sonne scheint.« Schon hoffen die Düsseldorfer ganz leise, mit ganz viel Konjunktur-Glück 2011 ohne neue Schulden auszukommen.
»Sein politisches Navigationssystem funktioniert nicht«, versucht Kraft den Ministerpräsidenten zu locken. Dessen Bemühen, sich mit dem Thema soziale Gerechtigkeit zu profilieren, sei blanke Taktik. Wohl wahr: Die jüngste große Sozialdebatte fand ohne die NRW-SPD statt.

Artikel vom 22.01.2007