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»Grenzgang zwischen
Show und Wahnsinn«

Skispringen: Kritik nach dem Sturz von Jan Mazoch

Zakopane (dpa). Der schwere Sturz des Tschechen Jan Mazoch beim Skandal-Weltcup in Zakopane hat im Skisprung-Lager Bestürzung ausgelöst und den Weltverband FIS nach heftiger Kritik doch noch zur Vernunft gebracht.

Während der 21-Jährige gestern mit einer schweren Schädelprellung immer noch im künstlichen Koma lag, sagte die Jury den zweiten Wettbewerb wegen zu starken Windes ab. »Wir hatten keine andere Chance«, sagte FIS-Renndirektor Walter Hofer. 24 Stunden zuvor hatte die Jury das Chaos-Springen im Finale viel zu spät abgebrochen, wodurch der nach dem ersten Durchgang in Führung liegende Slowene Rok Urbanc überraschend zu seinem ersten Weltcupsieg kam.
Tschechiens Trainer Richard Schallert erhob wegen des zögerlichen Handelns schwere Vorwürfe gegen die Jury. »Die Leute sollten vernünftiger sein. Mit fairem Sport hatte das nichts zu tun. Man wartet, bis der Rettungswagen mit Blaulicht wegfährt und macht weiter. Das war eine traurige Geschichte und hat mich sehr enttäuscht«, sagte der Österreicher mit Tränen in den Augen.
Wenig Verständnis zeigte auch Martin Schmitt, für den das beste Saisonergebnis mit Platz sechs in den Hintergrund rückte. »Die Freude über meine gute Leistung ist weg«, sagte der viermalige Weltmeister. Der Routinier, der 129 Meter weit sprang, zeigte sich vielmehr von den Vorkommnissen geschockt. »Der Sturz war schlimm anzusehen. Es ist schon ein mulmiges Gefühl, wenn man dann auf dem Bakken sitzt und nicht weiß, was in der Luft passiert«, sagte der 28-Jährige.
Mazoch war im Finale von einer heftigen Sturmböe erfasst worden und ähnlich wie Doppel-Olympiasieger Thomas Morgenstern bei seinem Horror-Sturz 2003 in Kuusamo kopfüber auf den Hang geprallt. Im Auslauf blieb er zum Entsetzen der 40 000 Fans zunächst bewusstlos liegen. Nach einer ersten Untersuchung in Zakopane wurde Mazoch am Abend auf die traumatische Station der neurochirurgischen Klinik in Krakau verlegt, wo er wegen der Schwellung im Kopf in ein künstliches Koma versetzt wurde.
Von Krakau soll er spätestens heute mit einem Ambulanz-Jet nach Prag geflogen werden.
Obwohl der Wettbewerb am Samstag schon im ersten Durchgang wegen der schwierigen Windverhältnisse immer wieder unterbrochen werden musste, wollte die Jury den Wettkampf offensichtlich mit allen Mitteln durchziehen. »Der erste Durchgang war noch okay, der zweite dann nicht mehr kalkulierbar«, kritisierte Bundestrainer Peter Rohwein. »Es war ein Grenzgang zwischen Show, Wahnsinn und sportlicher Höchstleistung«, stellte Österreichs Coach Alexander Pointner fest.

Artikel vom 22.01.2007