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Aussortiert in Runde 1:
Aber da ist Musik 'drin

Zwei Zugaben nach der Uraufführung im TAM

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Da ist Musik 'drin. Nämlich »100 Nr. 1 Hits«. So heißt der musikalische Abend von Patrick Schimanski, der im Theater am Alten Markt (TAM) uraufgeführt wurde.

Schimanski spielt darin mit den Klischees der Castingshows, zeigt aber nicht die, die es vom Kindergartenhelfer zum Superstar schaffen, sondern verhinderte Sänger und unentdeckte Talente, die immer schon in der ersten Runde aussortiert werden. Maik (Thomas Wehling) ist einer, der immer und immer wieder von der Jury nach Hause geschickt wird. Dann aber nimmt sich Andy (Warhol), bizarr-skurril gespielt von John Wesley Zielmann, seiner an und rät ihm, die »Branche mit ihren eigenen Waffen zu schlagen«. Und damit geht es ganz schnell: Maik hat nicht nur seinen (für alle anderen unsichtbaren) Freund, sondern eine singende Sekretärin (Nicole Paul), ein schniekes Büro und jede Menge Loser wie er selbst, die alles für ihre 15 Minuten im Rampenlicht tun würden. Selbst Bobby, ein angejahrter, wenn auch überzeugter Hippie, mit räudiger Langhaarperücke und knappen Unterhemd über'm Bierbauch mit Mut zur Hässlichkeit gespielt von Stefan Hufschmidt, lässt sich kurzzeitig einfangen: Er tauscht seine speckige Lederhose gegen ein cooles Glitzer-Disco-Outfit und vergisst all' seine Ansprüche. Oliver Baierl ist ein russischer Mafiosi mit Wodka und Knarre, aber auch er ist nicht frei von der Sehnsucht nach dem Rampenlicht. Sandy (Monika Wegener) setzt dabei ganz auf ihre Aussehen und Steven, der mehr »in the year 2525, 2525. . .« lebt schafft es, seine Schüchternheit zu überwinden. Überzeugend Stefan Imholz. Die Band sind Lutz Ebmeier und Antonio Paesano. Obwohl sich aus diesem Personal weder eine Boygroup noch eine Girlieband stricken lässt, lässt Maik sich nicht irritieren: »I will survive«. Wirklich? Was den Massengeschmack nicht bedient, ist zu Scheitern verurteilt. Und alles bleibt ein Traum. . .
Es dauert, bis das Personal eingeführt ist, die Story erkennbar wird. Um manchen Gag ganz zu verstehen, muss man offenbar ein bestimmter Jahrgang sein. Was Massengeschmack ist (oder war) erlebt das - mitunter schaudernde - Publikum zwischen »Mendocino« und Genesis, zwischen Rolling Stones und Beatles (Bobby: »Eine Glaubensfrage«). 56 der 100 Hits werden gesungen - das zieht sich. Fazit: Zwei Zugaben, wohlwollende Zuschauer, Schauspieler, die nicht originalgetreu, immer aber originell singen.

Artikel vom 22.01.2007