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Stürmische Nacht im stehenden Zug

»Kyrill«: Hauptbahnhof Bielefeld wurde zur Notunterkunft für Reisende

Von Carsten Borgmeier
Bielefeld (WB). Ein solches Ereignis hat es im und am Bielefelder Hauptbahnhof noch nicht gegeben: Wegen des Orkans »Kyrill« sind am Donnerstag 150 Reisende der Deutschen Bahn nicht an ihre Zielorte gekommen und mussten die Nacht gezwungenermaßen in der Leineweberstadt verbringen.

Die »Schnelleinsatzgruppe« (SEG), bestehend aus Deutschem Roten Kreuz, Johanniter Unfallhilfe, Arbeiter-Samariter-Bund und Feuerwehr, versorgte die »Gestrandeten« hochprofessionell. Unter der Führung von Brandrat Bernd Heißenberg (48) war die speziell geschulte SEG mit hundert Helfern gegen 18 Uhr alarmiert worden und aus dem gesamten Stadtgebiet zum Hauptbahnhof angerückt.
Bis 19.30 Uhr konnte das improvisierte Nachtlager in einem leeren Raum des Bahnhofs als bezugsfertig gemeldet werden, so dass dort alle Reisenden verpflegt wurden. Von den 150 Fahrgästen übernachteten bis zu 40 auf Feldbetten im Bahnhof, 70 verbrachten die Nacht in einem stillgelegten Intercity und die Übrigen schliefen in einer Herberge.
In der Notunterkunft des Hauptbahnhofs herrschte trotz der Situation eine lockere Stimmung. Die meisten »gestrandeten« Fahrgäste nahmen es mit Humor und waren dankbar, in Bielefeld so gut versorgt zu werden: »Wir können nichts ändern«, meinte die Elodie Lombard (20). Sie war in Paderborn in den Zug nach Melle gestiegen, doch machte »Kyrill« ihr einen Strich durch die Rechnung. Unterwegs lernte die Frau Leidensgenossen wie Hanke Bohlen (22) und Paul Burghardt (20) kennen - gemeinsam stärkten sich die Studenten nach ihrer stürmischen Odyssee mit heißem Tee und herzhafter Erbsensuppe.
Auch Cornelia (32) aus Bayern sowie die Soldaten Sebastian Luckas (20) und Thore Collaris (19) fühlten sich von den Helfern der Bielefelder SEG bestens aufgenommen: »Der Service ist super«, meinte Artillerist Collaris, der just aus dem Manöver kam und sich auf sein Bett in Siegen gefreut hatte. »Es gibt Schlimmeres«, fügte Kamerad Luckas schmunzelnd im Hinblick auf das unbequeme Soldatenleben hinzu.
Der Einsatz endete am Freitagmorgen. Für die SEG war es der erste »Ernstfall«, Konzept und Umsetzung funktionierten nach Auskunft von Bernd Heißenberg optimal. In der Tat: Die Reisenden wurden schnell und gut versorgt, es gab Suppe aus Brackwede, Tee und Cola aus Ummeln, Apfelsaft und Kekse aus Sennestadt. Es standen Ärzte bereit und es hat für die eine Nacht an nichts gefehlt.

Artikel vom 20.01.2007