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Erst am Ende
kratzt Bayer
noch die Kurve

Leverkusener Leistungs-Ausschläge

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Leverkusen (WB). Es begann sehr gut, es hörte auch stark auf. Aber dazwischen gab es Spiele, die Trainer Michael Skibbe auf der Bayer-Bank in Leverkusen gar nicht gern gesehen hat. Von der Spitze auf Rang 14, danach wieder hinauf bis auf Platz sechs. Hier hatte die Liga-Achterbahn Hochbetrieb.

Tabellenführer war das Team gleich zu Beginn nach dem überzeugenden 3:0 gegen Alemannia Aachen. Die Kurve kratzte es trotzdem erst am Ende. Da blieben die Leverkusener vier Mal ungeschlagen und sackten noch zehn Punkte ein. Grund genug für die Geschäftsführung, die Arbeitspapiere ihrer sportlichen Leitung zu verlängern. Skibbe, Sportdirektor Rudi Völler und Manager Michael Resch erhalten neue Verträge.
Es war die kleine Serie, die die Verantwortlichen versöhnte: Na also, das Fußballspielen hatte die Mannschaft wohl doch noch nicht verlernt. Sie gab damit auch Völler die passende Antwort, der während der ersten Saisonhälfte mehrfach die »Charakterfrage« stellte. »Spiele der Wahrheit« wurden gleich ein paar Mal angepfiffen, und nach dem 2:1 in Dortmund eine Woche vor Weihnachten durften Trainer und Direktor endlich feststellen, dass die oft wankelmütigen Bayer-Profis ihr Hoch auch konservieren konnten.
Nun hängt Leverkusen zwar immer noch weiter hinter dem Spitzenquartett zurück, ist aber im Kampf um den UEFA-Cup-Platz wieder auf Tuchfühlung zum Tabellenfünften Hertha BSC. Es besteht daher auch kein Anlass, die Ansprüche zu verändern. »Der internationale Wettbewerb bleibt unser Ziel«, sagt Skibbe, sicher nicht unglücklich darüber, dass seine Auswahl zweigleisig fährt.
Denn im laufenden Wettbewerb sind die Leverkusener auch noch vertreten und gegen die englische Mittelklasse Mannschaft der Blackburn Rovers auch nicht chancenlos. Obwohl, ein Insel-Gegner zeigte das ganze Dilemma: Beim 0:1 gegen Tottenham agierte Bayer hilflos, planlos, lustlos. Es war nur der eigenwilligen Ergebnis-Konstellation zu verdanken, dass der abschließende und einzige Erfolg in der Gruppenphase gegen Galatasaray Istanbul genügte, das Weiterkommen zu ermöglichen.
Dem Tottenham-Tiefpunkt entsprach in der Meisterschaft das Malheur gegen den Hamburger SV. Das der zweiten Liga entgegen taumelnde Liga-Schlachtross unterbrach seine Pleiten-, Pech- und Pannenphase nur mit dem »Dreier« in der Bay-Arena. Da musste der blamierte Verlierer fürchten, noch selbst im Keller zu landen.
Die zu allen Richtungen offenen Ausschläge auf der Leistungsskala offenbarten sich auch im Duell mit dem FC Bayern. 0:1, Bayer blamabel. 2:1, Bayer brilliant. 2:3, Bayer wieder daneben. »So eine Vorstellung wie wir sie nach dem Rückstand geboten haben, möchte ich auch mal über 90 Minuten erleben«, stöhnte Trainer Skibbe. Auf einmal erstarrte seine Elf vor dem Titelverteidiger und empfing ihn ängstlich im eigenen Sechzehner. Nicht eben geschickt und gar nicht nötig.
So ganz ist dem Bayer-Braten auch jetzt noch nicht zu trauen. Es kann eine gelungene Saison werden, aber auch noch eine durchwachsene. Im Gegensatz zu Völler bekommt Skibbe nur einen Zweijahresvertrag. Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser sieht damit eine bessere Anpassung an handelsübliche Schicksale gegeben: »Trainer sind doch stärker vom Ergebnis abhängig.« Dem Vize-Weltmeister-Paar von 2002 wird dennoch zugetraut, aus Bayer eines Tages mal wieder einen Titelkandidaten zu formen. Auch wenn die Zeiten, in denen aus der Bayer-Pipeline noch Milch und Honig in die Fußball-Abteilung flossen, längst vorbei sind.
Nächste Folge: Hertha BSC - große Pläne in der Hauptstadt.

Artikel vom 22.01.2007