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Orkan reißt in Europa
43 Menschen in den Tod

Versicherungen beziffern Sachschaden auf eine Milliarde Euro

Hamburg (dpa). Das Orkantief »Kyrill« hat eine Schneise der Verwüstung durch Europa geschlagen und mindestens 43 Menschen in den Tod gerissen.
Ein tonnenschwerer Stahlträger stürzte aus 40 Metern Höhe auf eine Treppe vor dem Berliner Hauptbahnhof. Fotos: dpa

Bei einem der schwersten Stürme der vergangenen 20 Jahre sind allein in Deutschland elf Todesopfer zu beklagen, die meisten Menschen starben durch umstürzende Bäume oder herabfallende Äste. Es gab Hunderte Verletzte. Zudem entstand Schaden in Milliardenhöhe.
Der Sturm tobte mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 200 Kilometern pro Stunde. Den höchsten Wert registrierte der Wetterdienst Meteomedia mit 225 Kilometern pro Stunde auf dem Schweizer Aletschgletscher.
In Deutschland blies »Kyrill« am heftigsten auf dem Wendelstein in Bayern mit Tempo 202. Bäume und Strommasten knickten wie Streichhölzer um, Häuserwände stürzten ein, Dächer wurden abgedeckt, der Verkehr brach zusammen, Hunderttausende Menschen waren zeitweise ohne Strom.
Während die Küstenregionen von den befürchteten schweren Sturmfluten verschont blieben, gab es im Binnenland ein Verkehrschaos, die Bahn stellte erstmals bundesweit ihren Fernverkehr ein, Autobahnen wurden gesperrt, hunderte Flüge gestrichen.
Zehntausende gestrandete Reisende mussten die Nacht auf Bahnhöfen, Flughäfen oder in Notunterkünften verbringen. Die Bahn brauchte bis zum Freitagnachmittag, um den Schienenverkehr zum größten Teil zu normalisieren.
Besonders hart getroffen wurde das bevölkerungsreichste Bundesland NRW. Dort kamen fünf Menschen durch den Orkan ums Leben, zwei starben in Bayern. Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Baden-Württemberg meldeten je einen Toten. Besonders tragisch war der Fall eines 18 Monate alten Kindes in Bayern.
Es wurde vor den Augen seiner Eltern von einer aus der Verankerung gerissenen Balkontür erschlagen.
Mit welcher Gewalt »Kyrill« nahezu flächendeckend über Deutschland wütete, offenbarte sich bei den Aufräumarbeiten am Freitag.
Schlimmer noch als Deutschland traf der Sturm die britischen Inseln. Dort starben mindestens 13 Menschen. In den Niederlanden gab es sechs Todesopfer, in Tschechien und Polen kamen je vier Menschen ums Leben, Frankreich meldete drei Sturmtote, Belgien zwei.
Im Bahnverkehr gab es am Freitag wegen umgestürzter Bäume und herabgerissener Oberleitungen noch erhebliche Störungen. Der Knotenpunkt Berliner Hauptbahnhof war bis 13.30 Uhr gesperrt. In dem erst vor acht Monaten eröffneten Bahnhof war am Donnerstagabend ein tonnenschwerer Stahlträger aus 40 Metern Höhe auf eine Treppe im Eingangsbereich gestürzt, verletzt wurde niemand.
Der Luftverkehr lief am Freitagmorgen wieder weitgehend normal. Der größte deutsche Flughafen in Frankfurt berichtete, Flüge seien wieder uneingeschränkt möglich. Die Lufthansa hatte seit Donnerstag europaweit 331 Flüge gestrichen, davon waren 18 900 Passagiere betroffen.
Deutschlands größter Stromnetzbetreiber RWE hatte die Stromausfälle am Freitag weitgehend behoben. Probleme gebe es noch in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Dort waren am Morgen noch 49 000 Haushalte ohne Strom.
In den Küstenregionen, die sich auf einen schweren Kampf mit den Elementen eingerichtet hatten, hielten sich die Schäden in Grenzen. Die Sturmflut auf der Nordseeinsel Sylt fiel weniger schlimm aus als erwartet, auf anderen Inseln sowie in Hamburg blieb sie ganz aus. Schlimm sah es in den Mittelgebirgen aus. So war der gesamte Oberharz am Freitagmorgen nach Polizeiangaben wegen gesperrter und blockierter Straßen von der Außenwelt abgeschnitten.

Artikel vom 20.01.2007