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Erst mal wieder auf die Beine kommen

Der 34-jährige Michael Richts aus Halle-Künsebeck hat einen schweren Verkehrsunfall überlebt

Von Klaus-Peter Schillig
Halle (WB). 2008 möchte er wieder auf dem Lkw sitzen und die Kunden im Altkreis Halle mit Heizöl beliefern. Michael Richts kann schon wieder Pläne schmieden. Aus dem Rollstuhl heraus. Es ist noch keine fünf Monate her, dass der 34-Jährige aus dem Haller Ortsteil Künsebeck mit zerschmetterten Beinen und in höchster Lebensgefahr ins Bielefelder Unfallkrankenhaus Gilead eingeliefert wurde.

Dass er heute schon wieder auf dem Ergometer strampelt, sich mit »Unterarmgehstützen« sogar ohne Rollstuhl fortbewegen kann und fast ohne Schmerzmittel auskommt, ist für Michael Richts ein Wunder. Nach dem Unfall am 14. September 2006, als er auf der Bundesstraße 68 mit einem entgegenkommenden und nach links abbiegenden Lkw kollidierte, hatten die Ärzte größte Mühe, ihn überhaupt am Leben zu erhalten. Die zahlreichen Knochenbrüche an den Beinen und im Beckenbereich wurden nur nach und nach operativ versorgt, um den durch hohen Blutverlust geschwächten Körper nicht zu überfordern.
Vier Wochen lag der junge Familienvater im künstlichen Koma, Ehefrau Alexandra (32) bangte viele Stunden am Krankenbett, zu Hause hofften die beiden Kinder Alea Sophie (8) und Mia Madeleine (1) auf die Rückkehr des Vaters. Während dieser Zeit und in den Wochen danach wurden die zersplitterten Oberschenkelknochen, das gesprengte Sprunggelenk und der ebenfalls gebrochene Schienbeinkopf mit Schrauben und Metallplatten fixiert.
Seit dem 7. November arbeitet Michael Richts in der Dörenberg-Klinik in Bad Iburg an seiner Genesung. In dem modernen Reha-Krankenhaus stehen ihm alle Mittel sowie engagierte Ärzte und Physiotherapeuten zur Seite im täglichen Kampf gegen den Schmerz, gegen zu kurze, schwache und erst wieder zusammenwachsende Muskeln, gegen durchtrennte Nerven und teilweise blockierte Gelenke. »Erst mal wieder auf die Beine kommen«, geht der 34-Jährige die täglichen Anwendungen - von Moorpackung bis »Mucki-Maschine« - mit viel Elan und Optimismus an. Die Physiotherapeuten müssen ihn mitunter sogar bremsen, damit er sich nicht überlastet.
Denn noch sind die Knochen labil. Im linken Oberschenkel fehlen ganze sechs Zentimeter, die beiden Ende sind noch lange nicht zusammengewachsen. Und doch denkt Michael Richts schon daran, sich wieder unters Messer zu begeben. Der Knochen würde, wenn er erst einmal wieder verheilt ist, erneut glatt durchtrennt, Stangen oberhalb und unterhalb würden ihn durchbohren und wären verbunden mit einem Gerüst rund ums Bein. Der Zweck: So könnte man, haben ihm die Ärzte erläutert, das kürzere Bein allmählich wieder strecken. Und auf dieses Ziel arbeitet Michael Richts mit viel Ehrgeiz hin. Schließlich will er wieder arbeiten, - und da wäre die sechs Zentimeter dicke Sohle unter dem linken Schuh eher hinderlich.
Dahinter steckt nicht nur der ungewöhnliche Lebensmut, der in den ersten Wochen zum fast sensationellen Heilungsprozess beigetragen hat, sondern inzwischen auch die Fürsorge gegenüber der Familie. Durch den Unfall fließt inzwischen natürlich weniger Geld aufs Familienkonto. Zudem hat auch die Versicherung des Unfallverursachers bislang nur 1000 Euro unter Vorbehalt gezahlt, will es womöglich auf einen Prozess ankommen lassen, um dem Künsebecker eine zehnprozentige Mitschuld nachzuweisen. Er soll nach Aussage des Lastwagen-Fahrers zu schnell unterwegs gewesen sein. Michael Richts kann es nur aus seiner sonstigen Fahrgewohnheit mit dem Motorrad heraus bestreiten. An den Unfall selbst kann er sich bis heute nicht erinnern.

Artikel vom 27.01.2007