Abstinenzlergruppe: Friedhelm Stricker aus Steinhagen begleitet seit 25 Jahren andere Süchtige
Von Friederike Niemeyer Steinhagen (WB). »Es gab für mich nur noch zwei Möglichkeiten: Als Penner in der Jahnplatz-Unterführung in Bielefeld zu enden oder mit dem Saufen aufzuhören«, berichtet Friedhelm Stricker von der entscheidenden Frage vor 29 Jahren. Seine Wahl, auf den Alkohol zu verzichten, hat nicht nur das Leben des Steinhageners gerettet.
Seit 25 Jahren begleitet der 61-Jährige andere Alkoholiker, die ihre Abhängigkeit besiegen wollen. Friedhelm Stricker hat als Vorsitzender der Abstinenzler - einer Selbsthilfegruppe mit 180 Mitgliedern in Steinhagen, Halle und Werther -Êunzähligen Menschen Hilfestellung auf dem Weg in einen suchtfreien Alltag gegeben. »Er ist dabei manchmal etwas aufdringlich, aber das ist für einen Trinker genau richtig«, berichtet Peter Otte schmunzelnd. Durch Friedhelm Stricker hat er selbst »die Kurve gekriegt«, damals vor sechs Jahren. Der 52-Jährige aus Dinslaken war durch seine Trinkerei völlig abgestürzt - »von der Selbstständigkeit in die Gosse«. Von Jugend an hatte er getrunken, später steigerte sich das bei Peter Otte bis zum völligen Kontrollverlust. Der Einzelhandelskaufmann verlor seinen Führerschein, seine berufliche Existenz und schließlich seine Ehefrau. »Alles dreht sich nur noch darum, wo du den Stoff herbekommst«, beschreibt er diesen Tiefpunkt seines Lebens. Aus einem Kaufmann, der Wert auf ein gepflegtes Äußeres gelegt hat, wurde eine abgewrackte Existenz ohne Wohnung und nur noch mit den Kleidern, die er am Leib trug. Das Jahr 2000 war für Peter Otte schließlich die »Kapitulation«: Er beschloss, sich nicht kaputt zu saufen, sondern weiterleben zu wollen, und begann eine sechsmonatige Langzeittherapie in der Bernhard-Salzmann-Klinik in Gütersloh. Dort, unter der Therapie-Leitung von Ulrike Dickenhorst, wurde er nicht nur entgiftet, sondern bekam auch konkrete Hilfen für das Leben außerhalb der Klinik mit auf den Weg. Der Kontakt zu Friedhelm Stricker war für ihn dabei der entscheidende Baustein. Ihm hat er viel zu verdanken: »Er hat für mich eine Vater-Funktion übernommen.« Schließlich mache sich nach der Klinik-Entlassung eine große Unsicherheit breit. Nach einem ersten Praktikum hat Peter Otte nun eine Festanstellung beim Marktkauf in Gütersloh bekommen. Er hat alle Kontakte zu seinem alten Leben abgebrochen, wieder geheiratet und mit 52 Jahren in Halle ein völlig neues Leben ohne Alkohol begonnen. Für Friedhelm Stricker ist die Geschichte von Peter Otte ein lebendes Beispiel für den Erfolg des Konzepts der Abstinenzler und ihres Mottos: »Nur du allein kannst es schaffen, aber du schaffst es nicht allein.« Auch bei seinem eigenen Abschied vom Alkohol 1976 spielte die Gruppe eine entscheidende Rolle. Bereits im Rahmen seiner Lehre war er nicht nur mit der Kfz-Mechnik, sondern auch mit dem regelmäßigen Trinken vertraut gemacht worden, erinnert er sich. Das steigerte sich immer mehr, er wechselte die Arbeitsstätten, verlor den Führerschein. »Mein Leben bestand nur noch aus Alkohol und Trinken«, berichtet der Steinhagener. Bis er arbeitslos wurde und bei zwei Flaschen Schnaps am Tag angekommen war . . . In Familie und Bekanntenkreis war sein »Problem« zwar nicht verborgen geblieben: »Aber von Verwandten und Freunden kann einem letztlich keiner helfen. Im Gegenteil, ich habe mich nach gut gemeinten Ratschlägen nur noch mehr zurückgezogen.« Friedhelm Stricker traf seine Entscheidung schließlich, als er in der Zeitung von den neu gegründeten Abstinenzlern las. Er ließ sich zu ihrem Treffen fahren und schwor damals - »an einem Freitag, dem 13.« - dem Alkohol ab. Heute, auch nach so vielen Jahren, ist er immer noch »süchtig«, aber er weiß, genauso wie Peter Otte, wie er ohne Alkohol leben kann: mit sinnvoller Freizeitgestaltung, regelmäßigen schönen Höhepunkten wie Urlaub oder einem guten Essen und dem Meiden von Situationen, wo zuviel Alkohol getrunken wird. Das neue Leben ist Lohn genug. Friedhelm Stricker, Telefon 0 52 04 / 88 80 10
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