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Bruelheide: 
»Haben mehr
investiert«

Handball: TSG stößt an ihre Grenzen

Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). Zweieinhalb kurzweilige Stunden saßen TSG-Trainer Jörg Harke und TuS 97-Torhüter Thorsten Lehmeier am Morgen des Spieltages gemütlich am Frühstückstisch beisammen. »Moppel hat bestimmt fünf Pfund zugenommen«, frozzelte Harke vor dem Anpfiff, musste dann aber mit ansehen, wie sein schwergewichtiger Lipper Landsmann im Ortsderby der Handball-Oberliga den TSG-Schützen mit (unerträglicher) Leichtigkeit reihenweise vielversprechendste Bälle wegpfückte.

Lehmeiers Arbeitsnachweis nach 60 Minuten liest sich vorzüglich: Mit zwei Dutzend gehaltenen Bällen, darunter mehrere Gegenstöße plus vier Siebenmeter, ebnete er seinem Team den sicheren 29:23 (14:9)-Heimsieg über den befreundeten Nachbarn. Mit entscheidend waren seine Reflexe beim 23:21 (51.), als erst Falk von Hollen nach einer TSG-Hochphase vergeblich zum Strafwurf antrat und anschließend auch Linkshänder Jens Limbach wiederholt aus aussichtsreicher Position am erfahrenen Keeper scheiterte. Die Moral war gebrochen. »Wir hatten die Chancen,« grämte sich von Hollen über die Abschlussschwächen. »Jöllenbeck war einfach konsequenter und hatte die besseren Spielzüge. Unsere Aufholjagd hat zu viel Kraft gekostet.«
Lehmeier bekannte, dass die beeindruckende Kulisse ihn »gepusht« habe. »Sowas kitzelt bei mir zwei, drei, vier Prozent 'raus.« Ältere Herrschaften könnten derlei Atmosphäre womöglich besser verarbeiten. »Tüdden und ich bleiben selbstsicher und schaffen es, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren.« Sein Dank galt freilich auch den Vorderleuten: »Unser Deckungsverband stand gerade in der ersten Hälfte souverän wie selten in dieser Saison und hat der TSG den Schneid abgekauft. Wir hatten die auf der Rolle.« Sprach's und verabschiedete sich in den wohlverdienten Skiurlaub nach Serfaus in Österreich.
Noch ein Fakt wirkte sich störend auf die Konzentration der Gäste aus, wie Linksaußen Jan-Henrik Werner zugab. »Wir haben uns zu viel mit den Schiedsrichtern beschäftigt, uns zu sehr über Entscheidungen aufgeregt.« Und derweil den Gewinner eine gewisse Konstanz auszeichnen würde, verzeichne die TSG »mal Hochphasen, wo es richtig gut klappt, und dann wieder eine Periode mit einer hohen Fehlerquote.
»Wir haben am Ende die größeren Reserven gehabt,« nannte TuS 97-Rechtsaußen Marcel Volmer den Trumpf, der schon zum x-ten Mal stach. »So lange wir so durch die Liga gehen, bin ich zufrieden,« meinte der achtfache Torschütze Ralf Bruelheide, dem ein Kapselriss nicht anzumerken war. Seine »einfachen« Treffer zum richtigen Zeitpunkt waren für die 97-er Gold wert. »Wenn's wichtig wird, müssen wir Alten eben in die Bresche springen,« griente der 40-Jährige vergnügt, obgleich es ihm »lieber« sei, wenn der TuS 97 »unausrechenbarer« werden würde. »Langfristig haben wir nur dann Erfolg.« Wenngleich der Sieg »ein bisschen zu hoch« ausgefallen sei; völlig verdient war er allemal, so Bruelheide: »Unsere Einstellung hat gepasst. Wir haben mehr Biss gezeigt und mehr investiert als die TSG.«
Der Sportliche Leiter Frank Brennecke, der Sven-Eric Husemann eine »sensationelle Leistung am Limit« bescheinigte, pflichtete ihm bei: »Wir waren einfach heißer als der Gegner.« Bei aller Euphorie mahnte TuS 97-Trainer Frank Spannuth die Anhänger des »handballverrückten Ortes« (TuS 97-Boss Dr. Ulf-Peter Schroeder), »keine falschen Erwartungen an die Mannschaft heranzutragen.«
Die TSG bleibt trotz der Niederlage Tabellensiebter, allerdings mit nunmehr sieben Zählern Rückstand auf den TuS 97. Obgleich ihm Mittelmaß stinkt, spornt TSG-Käpt'n Carl-Moritz Wagner seine Gefährten an, angesichts theoretischer Aufstiegsschancen die Ärmel weiter hoch zu krempeln. »Wir sind an unsere Grenzen gestoßen. Der TuS 97 war uns in Sachen Taktik, Spielaufbau, Spielstruktur deutlich überlegen. In den wichtigen Situationen hat die Persönlichkeit einzelner Spieler den Ausschlag zugunsten Jöllenbecks gegeben. Doch die Saison geht weiter. Wenn irgendjemand patzt, müssen wir da sein.«
Und dann lüftete Frank Brennecke noch das Geheimnis, warum er »niemals« gebangt hatte, dass das Spiel vielleicht doch noch kippen könnte. »Ich war am Freitag beim Friseur.« Ein Aberglaube, der vor vielen Jahren entstanden ist und ihn seither noch nie im Stich gelassen hat.

Artikel vom 22.01.2007