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An einigen Fischen wird Ostrowski zu knabbern haben.

Leitartikel
Neuer Bertelsmann-Chef

Die Fische
müssen
auf den Tisch


Von Bernhard Hertlein
Könige und Primadonnen werden gekürt, Vorstandsvorsitzende ernannt. Hartmut Ostrowski ist zwar erst 48; aber bis zur Berufung an die Bertelsmann-Spitze musste er schon einen langen Marathonlauf bestehen. Von Anfang an, das heißt: seit dem Amtsantritt von Gunter Thielen im Sommer 2002, lief Ostrowski in der unangenehmen Rolle des Favoriten. Als Sportler und Bertelsmann-Mitarbeiter wusste er: Überraschungen sind auch auf den letzten Metern nicht auszuschließen, jedenfalls nicht in einem Familienunternehmen.
Offiziell hat sich Ostrowski nie um den Posten beworben. Damit vermied er schon den ersten Fehler. Denn die Mohns -Êsowohl Firmenpatriarch Reinhard als auch die jetzige Regentin Liz - mögen keine Manager, die sich zu sehr in den Vordergrund und auf den Laufsteg drängen. Thomas Middelhoff hat das zu spüren bekommen, und sogar -Êtrotz seiner großen Verdienste um die AG - Mark Wössner in seiner Zeit an der Spitze der Bertelsmann-Stiftung. Reinhard Mohn, dessen Lebenswerk gerade filmisch gewürdigt wird, gab es den Managern sogar schriftlich, was er von ihrer »Eitelkeit« hält.
Der Film wird übrigens am Montag auf dem großen Bertelsmann-Managerkongress in Berlin uraufgeführt - parallel zum ersten Auftritt Hartmut Ostrowskis als Vorstandsvorsitzender in spe.
Natürlich hätte es für den künftigen Chef des weltweit fünftgrößten Medienkonzerns nicht genügt, dass er nur Fehler vermeidet. Ebenso wichtig war es, dass Ostrowski mit seiner Arbeit überzeugt. Tatsächlich stimmen seine Zahlen, und zwar nicht nur hinsichtlich Umsatz und Ertrag, sondern auch bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze sogar in Deutschland. In einem Konzern mit dem sozialen und gesellschaftlichen Anspruch der Bertelsmann AG kann man eine solche Leistung nicht hoch genug einstufen. Das weiß man gerade in Ostwestfalen-Lippe zu schätzen.
Hier, wo Arvato heute der größte private Arbeitgeber ist, baut man natürlich auch auf die heimatliche Verbundenheit dessen, der einst in Bielefeld für den TUS Dornberg wichtige Tore geschossen hat.
Die Gesetze der Wirtschaft wollen es, dass, wer den einen lobt, den anderen zurücksetzt. Damit aber täte man Ewald Walgenbach unrecht, dem bei dem Marathonlauf bis zum Schluss ebenfalls noch Chancen eingeräumt worden waren. Immerhin hat er den scheinbar unrettbar in den roten Zahlen steckenden Bertelsmann-Buchclub wieder in die Gewinnzone geführt.
»Put the fish on the table« (deutsch: Leg' den Fisch auf den Tisch) ist einer von Ostrowskis Lieblingssätzen. Gemeint ist: Mach' keine Umschweife, sprich das Problem direkt an. An einigen Fischen wird Ostrowski zu knabbern haben -Êselbst wenn Thielen, wie versprochen, die Umsatzrendite bis Jahresende noch auf zehn Prozent schraubt und die durch den Aktienrückkauf hochgeschnellte Verschuldung auf das 2,3-fache des operativen Gewinns zurückführt. Die Abhängigkeit der AG vom hohen RTL-Gewinn, die Risiken vom und die fehlende Chancenausnutzung im Internet -Êdas sind zwar keine Haie, aber doch ganz schön dicke Fische.

Artikel vom 20.01.2007