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Auf nach Ancaria!
Sacred 2: Gütersloher Spieleschmiede hat ein heißes Eisen im Feuer
In Gütersloh prophezeit ein Mann, das er die Weltherrschaft an sich reißen wirdÉ Seinen »Feldzug« hat Heiko tom Felde generalstabsmäßig geplant - und seine Kampagne läuft bereits auf Hochtouren. Doch die Mächtigen dieser Welt dürfen getrost weiter Politik machen, Ascarons Publishing Director will die Welt der Computerspiele aufmischen.
Nur wenige deutsche Entwicklerstudios spielen international in der ersten Liga: Ascaron will dazu gehören. Neun Millionen Euro haben die Gütersloher investiert, um »Sacred 2 - Fallen Angel« zu einem Top-Favoriten auf den Thron der Action-Adventures zu machen und damit Genre-Primus »Diablo« endgültig vergessen zu lassen. Diese Zeitung hatte Gelegenheit, einen ersten Blick auf »Sacred 2« zu werfen.
Ins Visier haben die Marketing-Experten neben Deutschland besonders die USA genommen; ein riesiger Markt, der eigenen Gesetzen unterliegt. »In Amerika geht ohne die Konsole wenig«, sagt tom Felde. Ein erfolgreicher Xbox-Titel sei auch Türöffner für das entsprechende PC-Spiel. Das Sacred parallel auch für die XBox 360 entwickelt wird, wollte Heiko tom Felde aber nicht bestätigen.
»Ohne 3-D-Grafik kann man heute keinen Top-Titel mehr verkaufen«, weiß tom Felde. Die technischen Möglichkeiten aktueller Computer auszureizen gehöre zum Pflichtprogramm. Damit Computerbesitzer, die nicht einmal im Jahr in neue Hardware investieren, nicht in die Röhre gucken, ist die Grafik von Sacred 2 fast beliebig skalierbar.
Auf High-End-Rechnern sei Sacred sehr nah an der Realität, bei schwächeren Systemen würden die Texturen (der »Überzug« von 3-D-Modellen) durch niedriger aufgelöste Varianten ersetzt. Heiko tom Felde blickt aus dem Fenster: Der Baum vor der Firmenzentrale wäre immer noch ein Baum, hätte aber vielleicht weniger Blätter und keine strukturierte Rinde. »Die Spielflussqualität wird von der Skalierung profitieren«, verspricht tom Felde. Auch werde Sacred die neuen Möglichkeiten von Microsofts DirectX 10, der Grafikschnittstelle in Windows Vista, nutzen.
Schon jetzt sieht das Spiel toll aus: Gräser, die sich sanft im Wind wiegen und von den Helden zur Seite gedrückt werden, stimmungsvolles Licht- und realistisches Schattenspiel, Tag- und Nachtwechsel mit Einfluss auf das Spielgeschehen. Bei Schattenwurf, einer im Wind schaukelnden Laterne, zeigt sich das Zusammenspiel von Grafik- und Physikengine. Dazu ein Effektefeuerwerk bei Zaubern und magischen Waffen, das seinesgleichen sucht. So wie die Charaktermodelle, in denen sich Begeisterung und Kreativität der Macher widerspiegeln. Selbst Standardgegner wie Goblins überraschen mit gelungenen Animationen und skurrilem Äußeren. Kleinere Feinde verstecken sich im hohen Gras. »Oblivion« wird auf die Plätze verwiesen.
Nach der Pflicht kommt die Kür: Die Welt von Ancaria ist nicht nur schön, sondern auch gigantisch, dabei lebendig wie nie. Acht Stunden läuft der Held von einem Ende zum anderen. Die NPC (»Non Player Characters«, vom Computer gespielte Figuren) gehen einem individuellen Tagesablauf nach. Handwerker entwickeln ihre Fähigkeiten weiter, am Abend werden Kerzen entzündet.
Die Geschichte ist 2000 Jahre vor den Ereignissen in Sacred 1 angesiedelt. Im Mittelpunkt steht die mysteriöse Schöpfungskraft, die T-Energie. Von den Charakteren hat es nur die Seraphim in das Nachfolgerprogramm geschafft. Daneben gibt's die Dryade, die Hochelfe, den Inquisitor, den Schattenkrieger und den Tempelwächter. Bei den Aufgaben warten zwei komplette Questbäume für die dunkle und die helle Seite, es gibt Aufgaben für einzelne Charaktere sowie solche, die an die Gesinnung gekoppelt sind. Das verspricht einen enorm hohen Wiederspielwert - und das bei einer angedachten Spieldauer von 200 Stunden. Dabei sind die Quest von einem klugen (menschlichen) Verstand erdacht und nicht zufallsgeneriert. Kein Vergleich mit den Baukastenwelten von »Titan Quest«.
Die Fantasy-Welt von Sacred durchstreift der Spieler ohne Ladezeiten. Das vertieft das Spielerlebnis enorm. Auch setzt die Künstliche Intelligenz (KI) nicht einfach neue Monster in Gebiete, die bereits gesäubert sind; es ist allerdings wahrscheinlich, dass neue Gegner in das Gebiet ziehen, wenn man länger nicht dort war.
»Will man heute einen Top-Titel am Markt platzieren, braucht man Alleinstellungsmerkmale«, begründet tom Felde den enormen Aufwand. Auch sollte ein Premium-Titel das Genre nachhaltig bereichern. In Sacred 2 wird es wieder Reittiere geben, von deren Rücken man kämpfen kann - und voraussichtlich auch Boote.
Der größte Teil der kreativen Arbeit werde bei Studio II in Aachen unter Leitung von Franz Stradal geleistet. Viele Ideen habe auch die »Community« der Sacred-Fans beigesteuert. In der Zusammenarbeit mit der aktiven Gemeinschaft sieht tom Felde eine große Stärke von Sacred. Deshalb lässt sich Ascaron auch willig in die Karten gucken und hat es der Gemeinschaft ermöglicht, eine frühe Version anzuspielen. »Das Ergebnis kann man unter www.cisacred.de im Internet nachlesen. Ein absolut professioneller Vorbericht«, lobt PR-Manager Torsten Meier.
Ascaron hat aus Fehlern gelernt - aus den eigenen und denen der anderen. Wenn Sacred auf den Markt kommt, soll es so fehlerfrei wie möglich sein. »Bei uns findet die Qualitätskontrolle nicht nur einmal am Ende der Entwicklung statt, sondern ist ein laufender Prozess, sagt tom Felde.
Jeden Monat geben die Entwickler eine neue Version in die Qualitätssicherung, die vorwiegend in Potsdam stattfindet. Bei Sacred 2 will Ascaron es besser machen als beim Vorgänger - und ein Fiasko wie bei Gothic 3 ausschließen. Der »gefallene Engel« soll im Herbst auf den Monitoren erscheinen.Thomas Lunk

Artikel vom 03.02.2007