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Hauptbahnhof wird nächtliches Notquartier

Sturm legt Zugverkehr lahm - Rettungskräfte versorgen  500 gestrandete Reisende

Von Hendrik Uffmann
und Gerhard Hülsegge
Bielefeld (WB). Völlig überrascht wurden die Fahrgäste auf dem Bielefelder Hauptbahnhof gestern am späten Nachmittag von der Einstellung des Zugverkehres. Gegen 17.15 Uhr hatte die Bahn sämtliche Verbindungen unterbrochen, woraufhin sich die Bahnhofshalle mit etwa 500 Reisenden füllte, die nicht wussten, wie sie nach Hause kommen sollten. 150 von ihnen mussten die Nacht im Notquartier verbringen, das von den Rettungskräften eilig errichtet worden war.

Marcel Bohnenkamp, Leiter der Bahnhofsmission, der zusammen mit seinen Mitarbeiterinnen Christel Beckmann und Lieselotte Engelbert im Einsatz war, beantworte geduldig Fragen und versuchte, zu helfen, wo es ging. »Viel können wir jedoch nicht tun, außer vielleicht einen warmen Platz anbieten«, sagte Christel Beckmann. Bohnenkamp schenkte ausnahmsweise - »als humanitäre Hilfe« - in der völlig überfüllten Halle heißen Kaffee aus, gab Ratschläge, wo es vergleichsweise günstige Übernachtungsmöglichkeiten gab. Fahrgäste aus der Region wie etwa Sven Schütte, der von seiner Arbeitsstelle in Bielefeld nach Löhne musste, bildeten Fahrgemeinschaften, um sich für den Heimweg ein Taxi zu teilen. Verzweifelt war Marlisa Zeuch (24), die am Bahnhof festsaß: »Wie soll ich jetzt nach Hause nach Hamm kommen?«
Weil man die Wartenden nicht ihrem Schicksal überlassen wollte, handelten auch Feuerwehr und Rettungsdienste. Rund 100 Hilfskräfte des Deutschen Rote Kreuzes (DRK), der Johanniter Unfallhilfe (JUH) und des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) versorgten gestern Abend die rund 150 Reisenden, für die der Bahnhof Endstation war. 90 von ihnen übernachteten in einem IC, der nicht weiter gekommen war. Bielefelds stellvertretender Chef der Feuerwehr, Bernd Heißenberg, koordinierte die Hilfe, die vor allem darin bestand, den leer stehenden Raum über der Bahnhofshalle mit Tischen, Bänken und einer kleinen Sanitätsstation einzurichten.
»Wir müssen auch erst Strom legen«, erklärte Heißenberg. Notarzt Michael Korth (49) kümmerte sich unterdessen um die etwas ratlos umher stehenden Menschen in und vor dem Bahnhof. Dazu gehörte auch der Obergefreite Thore Collaris (19), Soldat in Augustdorf. »Ich wollte eigentlich nach Siegen, um mich dort um ein Praktikum zu bewerben. Jetzt kaufe ich mir drei Flaschen Cola, dann kriege ich die Nacht schon rum«, meinte er.
Schahi Mirghiase (28) war mit dem Taxi von Osnabrück nach Bielefeld gekommen. Ihr Ziel: Frankfurt. Ob sie die Nacht im Hotel verbringen oder das Angebot des Aufenthalts am Bahnhof annehmen würde, wollte sich die Perserin noch überlegen.
Die Betreuungseinheit am Bahnhof einzurichten, machte laut Heißenberg unbedingt Sinn. »Viele werden ungeduldig und sind froh, wenn sie sich wenigstens auf ein Feldbett legen und ein wenig schlafen können. Die zwei angeforderten Versorgungszüge waren auch mit der rollenden »Gulaschkanone« angerückt, damit niemand hungern musste.

Artikel vom 19.01.2007