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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer Hans-Jürgen Feldmann

Hans-Jürgen Feldmann ist Pfarrer im Ruhestand.

Mancher, der es nicht hatte abwarten können, an die Macht zu kommen, mußte das schon bitter bereuen - so auch bei der Thronnachfolge König Davids. Absalom kostete es das Leben, gegen seinen Vater zu rebellieren und zu putschen. Glücklos, wenn auch nicht gleich ganz so tragisch, endete ebenfalls Adonia, der als nächster an der Reihe gewesen wäre. Zumindest blieb er zunächst am Leben, als gedemütigter Untertan seines Halbbruders Salomo.
Den aber hatte seine Mutter Bathseba, im Bunde mit dem Propheten Nathan, im letzten Augenblick gerade noch auf den Thron hieven und sich dabei der Zustimmung des schwach gewordenen Königs David versichern können. Als aber Adonia die schöne Abisag, die letzte Bettgenossin seines inzwischen verstorbenen Vaters, für sich begehrte, war es um ihn geschehen. Da verstand Salomo, einen verkappten Aufstand vermutend, keinen Spaß mehr und ließ Adonia töten.
Kann aus solchen Irrungen und Wirrungen und solchen brutalen Machtkämpfen schließlich doch noch etwas Gutes hervorgehen? Das ist die große Frage, die immer im Raum steht, auch in der Bibel.
Sie erzählt dazu von einem Traum, den der junge Salomo in dieser kritischen Phase gehabt habe: Eines Nachts erscheint ihm Gott der Herr, um ihn zu fragen, was er ihm geben solle. Salomo aber fühlt sich dabei keineswegs als Glückspilz, der nun seinen Wünschen einfach freien Lauf lassen darf. Vielmehr erlebt er sich wie in einer Prüfung - als jemand, der erst noch herausfinden muß, worauf es mit ihm hinauswill, worum es für ihn wirklich geht und worauf es im Leben denn eigentlich ankommt. »Ich bin«, so bricht es aus ihm hervor, »noch jung, weiß weder aus noch ein ... So wollest du deinem Knecht ein gehorsames Herz geben, damit er dein Volk richten könne und verstehen, was gut und böse ist« (1. Kön. 3, 7 u. 9).
Es heißt, daß diese Bitte Gott gefiel. Da hat sich jemand nicht - wie zu vermuten gewesen wäre - ein langes Leben und Reichtum gewünscht oder, in seiner Situation verständlich, die Vernichtung seiner Feinde, die überall lauern könnten. Vielmehr bittet er um Gaben, die ihm selbst, zumindest vordergründig, nichts eintragen, mit denen er aber anderen gerecht zu werden vermag: Verstand aus der Höhe, die Fähigkeit zuzuhören und - daraus resultierend - den rechten Durchblick und ein gutes und unparteiisches Urteilsvermögen. Die Bibel nennt dies »Weisheit«, und die ist für Salomo ja sprichwörtlich geworden.
Die Probe aufs Exempel sollte denn auch nicht lange auf ihn warten. Er sitzt eines Tages zu Gericht; da erscheinen zwei Prostituierte und tragen ihm ihren Rechtsstreit vor: In demselben Hause wohnend, hätten sie kurz nacheinander jeweils einen Sohn zur Welt gebracht. Einer dieser beiden sei jedoch von der eigenen Mutter versehentlich im Schlaf erdrückt worden und in der Nacht gestorben. Diese Frau hätte nun - so die andere - die Säuglinge heimlich miteinander vertauscht und ihr den toten Knaben untergeschoben, um selbst den lebenden zu erhalten. So entsteht ein hitziges Wortgefecht, in dem jede der Frauen versucht, das lebendige Kind für sich zu reklamieren.
Was soll der König da tun? Er läßt sich ein Schwert bringen, um, wie er vorgibt, das lebendige Kind in zwei Teile zu zerlegen und den beiden Frauen jeweils eine Hälfte davon zu geben. Die eine ist sofort damit einverstanden, daß dann kein Kind mehr lebt. Die andere aber ist bereit, ihrer Gegnerin das Kind zu überlassen, damit es nur ja am Leben bleibe. In diesem Augenblick weiß Salomo, wer von beiden die wirkliche Mutter des Kindes ist - die, der es wichtiger ist, es lebe, als daß sie es selbst besitzt.
Weisheit lebt davon, daß die Eigeninteressen im Leben eines Menschen - so auch die Pointe von Salomos Traum - nicht die oberste Priorität beanspruchen und nicht mit allen Mitteln durchgesetzt oder verteidigt werden müssen, sondern hinter größeren Gesichtspunkten zurücktreten können. Das ist eine Kunst, die langjährige Erfahrung lehren kann oder die einem von Gott auch schon früher geschenkt wird. Aber wie dem auch sei, sie dient dem Leben und dem Miteinander.

Artikel vom 20.01.2007