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Aids-Antikörper aus Tabak und Mais

Projekt der EU: Medizin soll unmittelbar in den Pflanzen erzeugt werden

Von Dietmar Kemper
Aachen/Bielefeld (WB). In einem Gewächshaus in Aachen werden in großem Stil Tabak- und Maispflanzen gezüchtet, um daraus Medikamente zu gewinnen.

»Wir möchten Antikörper gegen die Immunschwächekrankheit Aids produzieren«, sagte Stefan Schillberg vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie dieser Zeitung. Es handele sich um Pflanzen, in die Antikörper-Gene eingeschleust wurden. Die Pflanzen werden vermehrt, schließlich die Proteine mit den Antikörpern isoliert. »Weil Pflanzen als Rohstoff unbegrenzt vorhanden sind, braucht man nur ein Gewächshaus und kann letztlich Arzneien einfacher und billiger gewinnen«, erklärte Schillberg.
Die erfolgversprechenden Experimente mit Mais- und Tabakpflanzen sind Teil des so genannten »Pharma-Planta-Projekts«. Elf europäische Länder und Südafrika wollen mit Hilfe der Gentechnik Impfstoffe und Medikamente gegen Aids, Diabetes, Tuberkulose und Tollwut direkt in den Pflanzen erzeugen. Sie sollen als grüne Fabrik für Wirkstoffe auf Proteinbasis dienen, die Plantibodies genannt werden. Für die Forschungen stellt die Europäische Union bis 2009 gut zwölf Millionen Euro bereit. Die 39 Projektpartner treffen sich vom 1. bis 3. Februar in Wien zur Pharma-Planta-Konferenz, um dort erste Ergebnisse vorzustellen.
Koordiniert wird das Projekt von Rainer Fischer vom Fraunhofer-Institut in Aachen. Deren Hauptaufgabe ist es, ausreichend Material für erste klinische Versuche bereitzustellen. »Die Versuche werden sich fünf bis sieben Jahre hinziehen und kosten mehr als 100 Millionen Dollar«, erklärte Fischers Kollege Schillberg und dämpfte die Hoffnung darauf, dass Medikamente kurzfristig auf den Markt gelangen. Pharmafirmen benötigen jedes Jahr mehrere 100 Kilogramm therapeutischer Antikörper. Es kommen noch andere Pflanzen als Medizinlieferanten in Frage. »Auf Wunsch der EU konzentrieren wir uns aber auf Mais und Tabak«, sagte Schillberg.
Diese Pflanzen sind leicht zu handhaben, begründete der Vorstandssprecher des Centrums für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld, Alfred Pühler. Antikörper könnten auch aus tierischen Zellen gewonnen werden, sagte er dieser Zeitung: »Hier ist der Durchbruch bereits gelungen, die Firma Roche nutzt die Methode, um Medikamente gegen Krebs zu produzieren.«

Artikel vom 20.01.2007