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Horst Seehofer

»Kein Mensch weiß, was was
bis September
geschieht.«

Leitartikel
Edmund Stoiber

Der stets unstete Bayer geht


Von Reinhard Brockmann
Politik ist ein schnelllebiges Geschäft. Edmund Stoiber hat alles bekommen und erreicht, was er selbst wollte. Aber auch die beste Wirtschafts- und Finanzpolitik währt nicht für die Ewigkeit, verhinderte nicht einmal den beispiellos dramatischen Abstieg des Bayern innerhalb nur weniger Tage.
Viele machten gestern Stoibers Einstieg in den Ausstieg am Datum 1. November 2005 fest. Der stets auch unstete Bayer schlug an diesem Tag das verlangte Superministerium urplötzlich in den Wind. Andere ahnten schon länger, dass Stoibers Fähigkeiten zumindest außerhalb weißblauer Gefilde Grenzen gesetzt sind, nämlich seit er Brüssel einen Korb gab. Fast vergessen: Hätte er 2003 zugegriffen, könnte der CSU-Chef anstelle von José Manuel Barroso heute an der Spitze der EU-Kommission weltweit glänzen.
Schon in jenem Sommer machte eine als gesichert bezeichnete Selbsterkenntnis Stoibers die Runde: Er traue sich die Führung des europäischen Beamten- und Politapparats nicht zu. Nicht allein seine schlechten Englischkenntnisse ließen ihn vor dem multinationalen Intrigantenstadel zurückschrecken, hieß es damals.
Den über Wochen zermürbenden Führungsstreit in der CSU hat sich Stoiber selbst zuzuschreiben. Bei allem Respekt und Dank, der ihm in dem kommenden halben Jahr noch entgegengebracht werden wird, wirft die Bespitzelung der Fürther Landrätin Gabriele Pauli einen dunklen Schatten auf alle Lobreden. Ihr Gespräch ausgerechnet gestern brachte in der Sache zwar absolut nichts Neues, war aber dennoch die Vollendung des letzten Anstoßes zum Abtritt Stoibers. Fatal: Seit fast 14 Jahren - und damit länger als Franz-Josef Strauß - steht er an der Spitze des Freistaats. Als Landesvater hat Stoiber so ziemlich alles richtig gemacht.
Auch wenn Günther Beckstein allen Meldungen widerspricht, wonach er bereits als neuer Ministerpräsident feststehe, ist sein Weg ganz offenbar klar. Die Frage nach dem Vorsitz in der CSU sehen zumindest die wütenden Berliner Abgeordneten nicht so eindeutig beantwortet, obwohl Erwin Huber Mittwochnacht bereits intern gesalbt wurde.
Horst Seehofers eindeutige Wortmeldung dürfte mehr als eine Provokation, mehr als leise Rache für die gezielte Schmähung der jüngsten Tage sein. Zerreißprobe nicht ausgeschlossen: Ein Disput der Traditionalisten gegen die Modernen ist bis zum September-Parteitag durchaus vorstellbar.
Dann würde allerdings der sehnlichste Wunsch aus der Schwesterpartei nach Ruhe und geordneten Verhältnissen gerade nicht in Erfüllung gehen. Seehofer hat es in der Hand, er kann, wenn er will, aus dem Ende mit Schrecken einen Schrecken fast ohne Ende machen.
Auch Angela Merkel könnte dann schon bald den Eindruck gewinnen, dass es sich besser mit den alten Querschüssen Stoibers leben ließ als mit den neuen Unsicherheiten und Profilierungsversuchen seiner ehrgeizigen Möchtegern-Nachfolger.

Artikel vom 19.01.2007