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»In der Pflicht gegenüber
dem Gemeinwesen«

Oetkersche Stiftungen aus Liebe zur Heimatstadt

Von Sabine Schulze und Manfred Matheisen
mit Fotos von Bernhard Pierel und Markus Poch
Bielefeld (WB). Der am vorigen Dienstag verstorbene Rudolf August Oetker hat in Bielefeld unübersehbare Spuren hinterlassen. Seine Stiftungen prägen das Bild der Stadt. Und mit seinem Engagement setzte eine Familientradition fort.

Die Bielefelder Oetkerhalle ist weltberühmt. Internationale Künstler kommen in das ostwestfälische Oberzentrum, rühmen die Akustik des Konzerthauses. Gestiftet wurde die Halle von Caroline Oetker, der Großmutter des verstorbenen Firmenseniors. Die Halle, die am 31. Oktober 1930 eingeweiht wurde, ist Rudolf Oetker gewidmet, dem Vater Rudolf August Oetkers. Der hochmusikalische Mann fiel im Ersten Weltkrieg vor Verdun. Er hat seinen Sohn nicht mehr sehen können. Caroline Oetker ist im übrigen die bislang einzige Frau, die mit der Bielefelder Ehrenbürgerwürde ausgezeichnet wurde.
20 Jahre vor der Einweihung des Konzerthauses war als Oetkersche Stiftung am Oberntorwall das Jugendstil-Wetterhäuschen nach Plänen von Hans Perathoner entstanden, das bei verliebten Pennälern als Treffpunkt galt und von ihnen kurz und bündig »Oetkertempel« genannt wurde. Der Pavillon wurde im Zweiten Weltkrieg von Bomben zerstört und 1951 von dem Bielefelder Architekten Professor Griesser in neuem Stil errichtet. Als das Häuschen in die Jahre kam und unansehnlich wurde, ließ die Rudolf-August-Oetker-Stiftung für Kultur, Wissenschaft und Denkmalpflege den Pavillon renovieren.
Die Kunsthalle, die in den 1960er Jahren nach den Plänen des amerikanischen Architekten Philip Johnson entstand, schenkte Rudolf August Oetker den Bürgern der Stadt im Gedenken an seinen »zweiten Vater« Richard Kaselowsky, der bei einem Bombenangriff 1944 ums Leben kam.
Großen Anteil hat Rudolf August Oetker daran, dass die Altstädter Nicolaikirche, deren Gemeindeglied er war, und die Neustädter Marienkirche nach den Kriegszerstörungen wieder aufgebaut werden konnten. Für die Nicolaikirche stiftete Oetker auch das Bronzeportal nach einem Entwurf des Künstlers Gerhard Marcks.
Den charakteristischen Giebeln der Häuser am Alten Markt konnte mit Oetkers Hilfe neuer Glanz verliehen werden. Das Caroline Oetkerstift ließ er auf dem Gelände der ehemaligen Villa der Familie auf dem Johannisberg errichten. Schließlich freuten sich Bielefelds Eisläufer über die von Rudolf August Oetker finanzierte Eisbahn im Süden der Stadt, die 1977 eröffnet wurde.
Neben den sichtbaren Zeichen der Liebe zu seiner Heimatstadt förderte Rudolf August Oetker im Stillen zahlreiche soziale und kulturelle Einrichtungen in Bielefeld. Seine Ehefrau Maja engagierte sich viele Jahre als Vorsitzende des Kinderschutzbundes.
Für Rudolf August Oetker war sein Einsatz für Bielefeld selbstverständlich. Sein Verhältnis zu seiner Vaterstadt fasste er einmal in dem Satz zusammen: »Wenn ich schon in der Lage bin, dieses Erbe anzutreten, dann habe ich auch eine Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwesen, in dem ich tätig bin.«

Artikel vom 18.01.2007