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»Ich würde
in Basketball
investieren«

Dr. Nima Mehrdadi im Interview

Paderborn (WV). Mit dem Heimspiel gegen die Artland Dragons Quakenbrück (19.30 Uhr, Sportzentrum Maspernplatz) beginnt für BBL-Aufsteiger Paderborn Baskets am heutigen Samstag die Rückrunde. Vor dem Auftakt der zweiten Halbserie sprach WV-Redakteur Elmar Neumann mit Sportdirektor Dr. Nima Mehrdadi über das bisherige Abschneiden, die Neuzugänge und die Perspektiven.

Herr Mehrdadi, schon vor dem Rückrunden-Auftakt gegen die Artland Dragons Quakenbrück haben die Baskets sieben Siege auf dem Konto und acht Punkte Vorsprung auf die Abstiegsplätze. Hätten Sie darauf vor Saisonbeginn zu wetten gewagt?Dr. Nima Mehrdadi: Auf keinen Fall. Wenn mir jemand gesagt hätte, dass wir nach der Hinrunde 14 Punkte haben, hätte ich sofort unterschrieben. Unser Ziel war aber keine bestimmte Punktzahl. Wir haben von Spieltag zu Spieltag gedacht und sehen weiterhin in jeder Partie ein kleines Finale. Zum Glück hat sich unser kleiner Trick bezahlt gemacht, ein paar Wochen früher in die Vorbereitung zu starten als die Konkurrenz. So waren wir in unserem Entwicklungsprozess zu Saisonbeginn schon wesentlich weiter als viele andere Teams und konnten drei der ersten vier Spiele für uns entscheiden. Dieser Start war extrem wichtig für das Selbstbewusstsein unseres jungen Teams, das im bisherigen Saisonverlauf ja nur gegen ALBA Berlin keine reelle Siegchance hatte. In allen anderen Begegnungen hatten wir die. Da haben nur etwas Glück und Erfahrung gefehlt.

Sind Sie also vom bisherigen Verlauf selbst überrascht?Dr. Nima Mehrdadi: In der Tat. Trainer Doug Spradley und ich wussten, dass wir eine Mannschaft zusammengestellt haben, die in der BBL bestehen kann. Doch wir hätten nicht erwartet, dass die Jungs sich derart stark präsentieren würden, selbst in Bamberg oder beim Deutschen Meister in Köln 38, 39 Minuten lang mithalten könnten. Bamberg spielt im ULEB-Cup, Köln in der Euroleague und der Aufsteiger aus Paderborn ärgert diese Mannschaften - das ist wirklich überraschend. Schließlich darf man nicht vergessen, dass keiner unserer Jungs zuvor auch nur eine Minute in der BBL Basketball gespielt hat. Das ist eine echte No-Name-Truppe.

Worin sehen Sie die Gründe für diese starke erste Halbserie?Dr. Nima Mehrdadi: Ich glaube, dass wir bei den Spielerverpflichtungen wieder ein glückliches Händchen bewiesen haben. Wir haben nur Spielertypen geholt, die in unser Konzept passen und sich erfreulich schnell integriert haben. Die Chemie stimmt. Das ist aus meiner Sicht vor allem im Heimspiel gegen Karlsruhe deutlich geworden. Da sind zwei aus wirtschaftlicher Sicht in etwa vergleichbare Clubs aufeinander getroffen, aber wir haben mit einer gewachsenen Mannschaft gespielt und Karlsruhe nur mit einer Ansammlung von Solisten.

Wie fallen Ihre Beurteilungen der fünf Neuzugänge aus?Dr. Nima Mehrdadi: Aufgrund des finanziellen Engpasses und der Absage von Tyrone Sally waren wir gezwungen, unsere Planungen etwas zu ändern. Eigentlich hätten wir gerne zwei Spieler mehr verpflichtet, in jedem Fall einen weiteren Center, aber diese Stellen mussten wir aus bekannten Gründen streichen. Unter diesen schwierigen Voraussetzungen sind wir sehr zufrieden. Mit Teddy Gipson haben wir einen echten Leader, zu dem andere Spieler aufschauen, der allenfalls noch etwas konstanter scoren könnte. Aber auch so wird es schon schwer genug, ihn zu halten. Jordan Collins hat ebenfalls ein riesiges Potenzial und das noch lange nicht ausgeschöpft. Man darf nicht vergessen, dass er ein Jahr lang kein Basketball gespielt hat, ehe er nach Paderborn kam. Reggie Golson hat mehrfach bewiesen, dass er in entscheidenden Phasen gerade in der Offense ein Faktor sein kann. Ich behaupte immer noch, dass wir mit ihm in Halle gegen Bonn gewonnen hätten. Mark Patton füllt seine Rolle mit Höhen und Tiefen, aber insgesamt zufriedenstellend aus, und Lamar Hurd stellt sich dermaßen gut in den Dienst der Mannschaft, dass wir seinen Vertrag bis zum Ende der Saison verlängern mussten.

Wie zufrieden sind Sie mit den Leistungen der alt eingesessenen Spieler?Dr. Nima Mehrdadi: Auch da mussten wir uns vor Saisonbeginn einiges anhören. Tim Black sei zu klein und könne sich in der BBL niemals behaupten, hieß es. Aber Doug und ich waren uns sicher, dass er es packt und jetzt sieht man seit Monaten, dass er auch in der ersten Liga Topleistungen bringen kann. Ich bin sehr froh, dass wir mit ihm einen Vertrag über zwei BBL-Jahre abgeschlossen haben. Aber auch Steven Esterkamp, der in Gießen wie zu besten Zweitligazeiten getroffen hat, oder Marius Nolte, der ebenfalls eine gute Rolle spielt, liefern eine starke Saison ab. Bei Daniel Lieneke und Martin Duggen bin ich einfach nur froh, dass sie dabei sind, weil sie unser Konzept von Anfang an mitgetragen haben.

Stimmt die Erwartungshaltung im Umfeld mit dem überein, was der Verein leisten kann?Dr. Nima Mehrdadi: Wir sind hier in Paderborn. Da waren die Erwartungen schon immer hoch. Mit unseren 50 Siegen in Folge haben wir die Latte extrem hoch gelegt, aber man darf die aktuelle Situation nicht mit der vergangenen Saison vergleichen. Wir befinden uns jetzt in der ersten Liga da, wo wir vor vier Jahren in der zweiten Liga standen. Unser Vorteil ist diesmal, dass wir nicht - wie damals mit Stefan Schey - nur einen Spieler behalten haben, sondern fünf. Diese neue Mannschaft sollte man in drei, vier Jahren mit dem Aufstiegsteam vergleichen. Unser Konzept basiert weiterhin darauf, den Kern zu halten, das Team gezielt zu verstärken, um dann in ein paar Jahren auch in der BBL annähernd die Erfolge zu feiern, die wir zuletzt in der zweiten Liga erzielt haben. Ein Riesen-Erfolg ist aber auch diese Saison schon. Solange wir drin bleiben, ist der Tabellenplatz nicht entscheidend. Entscheidend ist die Art und Weise, wie sich die Mannschaft präsentiert und das ist begeisternd. Der Verein mit dem kleinsten Etat der Liga hat aus dieser Hinrunde das Maximum herausgeholt, auch wenn das einige Außenstehende, die nur auf die Platzierung blicken, nicht so sehen. Wer jemals in der Halle war, ist von diesem Team überzeugt.

Diese Saison ist nicht nur für jeden Spieler die erste in der BBL, sondern auch für den Trainer. Wie beurteilen Sie die Arbeit von Doug Spradley?Dr. Nima Mehrdadi: Für mich gibt es keine guten und schlechten Trainer, sondern nur erfolgreiche und nicht erfolgreiche. Dougs Ergebnisse sprechen für sich. Sieben Siege, nur zwei Punkte bis zu den Play-off-Plätzen - er hat es wieder verstanden, aus dem Spielermaterial das Beste herauszuholen. Genau wie die Spieler an Erfahrungen gewinnen und reifer werden, gilt das auch für den Trainer. Doug ist besessen vom Erfolg und wenn er so weiter macht, wird er zu einem der besten Trainer in der BBL. Gut, dass auch er einen Vertrag hat, der sich im Fall unseres Klassenerhalts um eine Saison verlängert. Aber wenn die Voraussetzungen stimmen, gibt es für ihn ohnehin nicht viele Gründe den Verein zu verlassen. Auch mit den Paderborn Baskets ist sportlich viel möglich. Das was Bamberg geschafft hat, kann auch Paderborn schaffen.

Sie haben die finanziellen Engpässe bereits angesprochen. Muss man sich zum jetzigen Zeitpunkt Sorgen machen, dass im Mai zwar der Klassenerhalt gefeiert werden darf, aber die wirtschaftlichen Voraussetzungen für ein weiteres Jahr in der BBL nicht erfüllt werden können?Dr. Nima Mehrdadi: Solange man keinen Hauptsponsor hat, muss man sich solche Gedanken machen. Unser Konzept beruht auf Kontinuität und die ist nur zu wahren, wenn eine entsprechende finanzielle Basis da ist. Dabei zeigen wir auch in dieser Saison wieder, dass wir selbst mit geringsten Mitteln sehr viel leisten können. Drei Vereine in der BBL haben keinen Hauptsponsor, zwei davon stehen auf einem Abstiegsplatz - wir sind der dritte. Auch das spricht für sich. Mit dieser Hinrunde haben wir bewiesen, dass es sich lohnt, Basketball in Paderborn zu unterstützen. Jetzt muss sich die Region bewegen und zum Standort Paderborn bekennen. Wäre ich Unternehmer, würde ich in Basketball investieren.

Artikel vom 20.01.2007