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Eine unwillkommene
Abschiedserklärung

Wer weist Bayern den Weg zu besserem Fußball?

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
München (WB). Plötzlich steht der FC Bayern im Wind. Wie unvorbereitet den deutschen Rekordmeister der Rückzug von Sebastian Deisler traf, zeigten die Äußerungen danach.

Obwohl die Münchener wussten, dass die umfangreiche Kranken- und Verletzungsgeschichte ihres Mittelfeldkünstlers jede verlässliche Einsatzprognose unmöglich machte, hatten sie doch verstärkt darauf spekuliert, dass ihnen der 27-Jährige in der Rückrunde den Weg zu besserem Fußball weist.
Daraus wird nun nichts, auch wenn Franz Beckenbauer via »Bild« wohl noch versuchen dürfte, Deisler umzustimmen. Er habe die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, teilte der Bayern-Präsident in seiner Kaiserlichen Kolumne mit. Mag Beckenbauer sonst alles schaffen, das nicht.
Und nun steht sein Klub eine Woche ziemlich bedröppelt dar. Julio dos Santos gab der Titelverteidiger nach Wolfsburg ab. Ali Karimi darf nach Dubai. Mehmet Scholl, der seit ungefähr 1772 für die Bayern spielt, ist im reifen Rentenalter und macht am Saisonende Schluss. So weit, so gut. Aber dass Hasan Salihamidzic mit 30 noch einen Vierjahresvertrag bei Juventus Turin zieht und der eifrige Lieblingsschüler des Trainers Magath damit die Münchener im Sommer verlässt, gefällt ihnen ebenso wenig wie der ewige Wunsch von Owen Hargreaves, nach Manchester zu wechseln.
Da konnten sie die Abschiedserklärung ihres letzten verbliebenden Ball-Zauberers nicht auch noch gebrauchen. »Ich muss mich jetzt erst einmal erholen«, gestand Manager Uli Hoeneß. Zwar sind sie zwangsweise meistens ohne Deisler ausgekommen, nur war da noch Ballack vorhanden - wohl doch weitaus wertvoller als manche das jetzt wahr haben wollen.
Trainer Magath hat es immer so hingenommen, wie es gekommen ist. Eine andere Wahl bleibt ihm auch jetzt nicht. Die Ziele in Meisterschaft und Champions League seien nicht in akuter Gefahr, er habe ja noch Spieler genug. »Es wird aber langsam eng«, räumte Hoeneß ein. Nachbessern kann er noch bis 31. Januar - dann fällt der Vorhang im Transfer-Theater.
Gleichzeitig denkt der Verein an morgen und übermorgen. Geld - auch für den schnellen Zugriff - ist da, Gerüchte und Geklingel gibt es genug: Frank Ribery aus Marseille, Arjen Robben vom FC Chelsea - gute Leute, bloß sehr teuer. 40 Millionen haben die Bayern im Tresor, und sie halten ihre Augen auch in Deutschland auf. Nach dem Aachener Jan Schlaudraff könnte Schalkes Hamit Altintop der nächste aus dem nationalen Reservoir sein, den der Rekordchampion bald zu sich ruft.
Es ist ein schwieriger Spagat. Die Münchener müssen ihre Zukunft planen, es kann passieren, dass ihnen vorher auch noch die Gegenwart zu schaffen macht. Eine »Neuverpflichtung«, von der sie überzeugt waren, ist abgesprungen. Sebastian Deisler spielte selten und fehlt jetzt trotzdem.

Artikel vom 18.01.2007