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Mit 65 Jahren Lebenstraum erfüllt

Peter Müller hat in Versmold-Oesterweg vor drei Monate eine Kneipe eröffnet

Von Marco Purkhart
Versmold (WB). Seit drei Jahrzehnten lebt Peter Müller in Oesterweg. »Und ich liebe es«, hat der gelernte Koch die Idylle des Versmolder Ortsteils schätzen gelernt. Manchmal geht es ihm im 2240- Seelen-Dorf jedoch ein wenig zu gemächlich zu. Peter Müller tat etwas dagegen. Er öffnete seine eigene Kneipe - mit immerhin 65 Jahren.

»Ich bin nicht mehr der Jüngste. Deshalb freut es mich um so mehr, dass ich mir noch einen Lebenstraum erfüllen konnte«, nimmt er die Knochenarbeit in der Gastronomiebranche ohne Klagen auf sich. Während andere in Rente gehen, rackert Müller seit vergangenem November rastlos, um seine neue Gaststätte zu etablieren. »Man muss schließlich etwas tun, wenn man einen Laden zum Laufen kriegen will - dann schafft man's auch.«
Ein Grundsatz, mit dem der rüstige Wirt auch die Bedenken ob des Risikos, das eine Neueröffnung mit sich bringt, endgültig beiseite wischte. Denn vom Konzept seiner Kneipe war er von vornherein überzeugt: ein uriges Gasthaus, das nicht vor Mitternacht die Türen schließt und in jeder Ecke mit einer Antiquität aufwartet. So bewahrt Raritätenjäger Müller die edelsten Spirituosen in einem sorgfältig restaurierten Thekenschrank aus dem Jahre 1880 auf.
Um eine kostspielige Runderneuerung kamen auch die mehr als 200 Jahre alten Kneipen-Räumlichkeiten auf Müllers Oesterweger Anwesen, das er in den 1970er-Jahren erwarb, nicht herum. Damit aus dem einstigen Schweinestall im Laufe der vergangenen zehn Jahre eine gemütliche Gaststätte werden konnte, opferte er sogar eine zur Aufbesserung der Rente gedachte Lebensversicherung: »Ich habe die Investition nicht gescheut, denn so habe ich wenigstens noch etwas, was ich im Alter tun kann.«
Und zu tun gibt es eine ganze Menge. »Die Leute rennen mir sprichwörtlich die Bude ein«, hätte der Hausherr nie mit derart großem Zuspruch auf seine Kneipe gerechnet, die er »Altes Backhaus« taufte. Stilecht zum Namen befindet sich im hinteren Bereich eine Kaminstelle, wo noch bis 1960 Brot gebacken wurde. »Das ist mein atmosphärischer Höhepunkt. Dort sitzen die Leute manchmal bis zwei Uhr nachts«, berichtet der Küchenchef, der in den 1960er-Jahren sogar für den deutschen »Seeteufel« Felix Graf von Luckner bei der Konfirmation von dessen Enkel kredenzte.
Das Wohlergehen seiner Gäste bedeutet für Peter Müller, der das globale Leben als Vier-Sterne-Koch für die Liebe aufgab und seit 1997 sesshaft einen Partyservice betreibt, zugleich eine Arbeitszeit von acht Uhr morgens bis mindestens Mitternacht. Ein Fulltime-Job: Bevor er abends seine gutbürgerliche Kost auftischen kann, muss der Küchenchef frische Zutaten für seine Gerichte sichten und beschaffen - wie holländische Muscheln für den beliebten »Muschel-Mittwoch«.
Ein Aufwand, der im Alleingang kaum zu bewältigen ist. Unter die Arme greifen ihm daher seine Frau Edith (55) und Tochter Ulrike (35), die tagsüber als Juristin beschäftigt ist. »Der familiäre Zusammenhalt ist bei uns ganz wichtig - nicht nur hinterm Tresen«, zeigt sich Peter Müller dankbar für die tatkräftige Treue seiner Liebsten.
Eher seltener kann hingegen sein 34-jähriger Sohn Heiko mit anpacken. Das liegt allerdings daran, dass der Fünf-Sterne-Koch - früher als Küchenmeister auf der aus der Fernsehserie »Traumschiff« bekannten »MS Deutschland« tätig - mittlerweile für ein Salzburger Unternehmen das Catering und den Hotelbereich auf zwölf Flusskreuzfahrtschiffen koordiniert. Peter Müller kann also gewiss sein, dass sein »Altes Backhaus« später in fachgerechte Hände übergeht: »Der Junge kocht wie ein Weltmeister! Aber irgendwo muss er das Talent ja her haben«, meint der Vater, den der Mut zur eigenen Kneipe auch im stolzen Alter von 65 Jahren noch mit neuer Lebensfreude erfüllt.

Artikel vom 27.01.2007