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Vom Macher zum Buhmann:
Hartz auf der Anklagebank

Ex-VW-Personalchef räumt Fehler ein und entlastet Ferdinand Piëch

Von Eva Tasche
Braunschweig (dpa). Es dürfte einer der schwärzesten Tage im Leben des prominenten Topmanagers Peter Hartz sein. Nach außen hin gibt er sich aber ungerührt. Beschimpfungen von Demonstranten lässt der frühere mächtige VW-Arbeitsdirektor an sich abprallen.

Im Blitzlichtgewitter auf der Anklagebank im Braunschweiger Landgericht kräuselt bisweilen nur ein dünnes, etwa gequältes Lächeln um die Lippen des 65-Jährigen. Mit unbewegter Miene blickt er in die Runde, die gespannt auf sein Geständnis in einem Wirtschaftskrimi wartet, wie es nicht viele in Deutschland gab.
Das schlechte Gewissen, von dem sein Anwalt immer wieder spricht, steht dem ersten Angeklagten in der VW-Korruptionsaffäre nicht unbedingt ins Gesicht geschrieben. Konzentriert und angestrengt wirkt er, aber nicht kleinlaut, unsicher oder nervös. Mit fester Stimme erläutert er der Schwurgerichtskammer seinen Lebenslauf und seine Einkommensverhältnisse. Die Rolle auf der »Arme-Sünder-Bank« ist er nicht gewohnt, etwas hilfesuchend blickt er seinen Anwalt an. Dem überlässt er auch, zu berichten, wie er sich immer tiefer in den Skandal verstrickte, der den Wolfsburger Autobauer bis in die Grundfesten erschütterte.
Ein Mann mit vielen verschiedenen Gesichtern sei er nicht, der langjährige VW-Personalvorstand, sagt sein Verteidiger Egon Müller sinngemäß. Hartz war der Held der Arbeiter, der Anfang der 90er Jahre den VW-Werkern durch die mit dem Betriebsrat vereinbarte Vier-Tage-Woche 30 000 Jobs rettete. Er war der viel gefragte Berater für Politik und Wirtschaft, dessen erklärtes Oberziel immer war, Wege aus der Arbeitslosigkeit zu finden.
Aber dieses System bei VW, das enge Miteinander von Betriebsrat und Unternehmensleitung, das von Vertrauen, Akzeptanz und Schulterschluss geprägt war, erklärt auch, wie es zu diesem Skandal bei VW kommen konnte. »Kontrollen waren nicht vorgesehen«, sagt Müller. Und Hartz habe weggeschaut, räumt er ein - auch als der Missbrauch bereits offensichtlich war. Heute bedauere er sein Fehlverhalten und übernehme dafür die Verantwortung.
Für den Normalbürger sind die Summen schwindelerregend, die die Staatsanwältin aufzeigt. Nicht nur ungerechtfertigte Sonderbonuszahlungen von fast zwei Millionen Euro für Betriebsratschef Klaus Volkert sind da festgehalten. Auch teure Urlaubsreisen mit der Geliebten, Flüge quer durch die Welt, Luxushotels und wertvolle Geschenke wurden auf VW-Kosten abgerechnet. Und Hartz hat weggeguckt. Er hält den Blick gesenkt, als die Anklage dies alles verliest.
Man könne es nur erklären, nicht rechtfertigen, sagt Müller. Hartz und Volkert hätten eben ein sehr enges Verhältnis zueinander gehabt. Der mächtige Betriebsrat habe Hartz' Berufung nach Wolfsburg unterstützt, man duzte sich. »Man verstand sich wortlos«, sagt Müller. Die Verhandlungen zur Vier-Tage-Woche hätten die beiden dann endgültig zusammengeschweißt.
Und der Vorstandsvorsitzende des VW-Konzern - damals Ferdinand Piëch - habe Hartz freie Hand gelassen. In einem Buch will Hartz nach dem Urteilsspruch seine Sicht der Dinge schildern. »Macht und Ohnmacht« soll der Titel sein. Die Zeiten der Macht dürften für Hartz aber endgültig vorbei sein.

Artikel vom 18.01.2007