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Kleines Land, großes WM-Ziel

Auch Mindens Isländer Jonsson und Gudjonsson träumen vom Titel

Von Volker Krusche
und Lars Krückemeyer
Minden (WB). Sie stehen sich gegenüber. Der eine die Kamera im Anschlag und das Mikrophon ausgerichtet, der andere abwartend ob der Fragen seines Teamkollegen.

Vor Wochen sah es noch danach aussah, als würde Einar Örn Jonsson, der seine beruflichen Wurzeln nicht nur im Handball, sondern auch beim Fernsehen hat, seinen Mitspieler von GWD Minden, Snorri Gudjonsson, während der Weltmeisterschaft als Co-Kommentatoren des isländischen TV begleiten. Die Situation hat sich verändert. Beide kämpfen seit Samstag bei der WM auf einer Seite - auf der sportlichen.
Durch die Verletzung des Großwallstädter Rückraumspielers Einar Holmgeirsson rückte dessen Vereinskollege Alexander Petterson nämlich von der Außenbahn in die »zweite Reihe«. Und dadurch war auf einmal auf Rechtsaußen Platz für den bis dahin nur im erweiterten Kader von Alfred Gislason stehenden »Örnie« Jonsson. Der hatte die WM praktisch schon abgeschrieben, sich mit der Situation als Co-Kommentator abgefunden. »In Island herrscht ein wahrer Luxus an Linkshändern. Daher habe ich von vornherein akzeptiert, dass ich nur die Vorbereitung mitmachen würde.« Nur gut, dass er sie mitgemacht hat, denn so ging der 30-Jährige nämlich fit in die WM.
Insgesamt fünf Ostwestfalen laufen für Island auf. Neben den beiden Mindenern gehören auch Torhüter Birkir Ivar Gudmunsson vom TuS N-Lübbecke sowie die beiden Lemgoer Logi Geirsson und Asgeir Örn Hallgrimsson dem Gislason-Aufgebot an.
»Unsere Problemposition ist der linke Rückraum. Da fehlt uns ein gelernter Halblinker. Stattdessen müssen wir mit Arnor Atlason auf einen Mittelmann und mit Logi Geirsson auf einen Linksaußen bauen.«
Das taten die Isländer aber schon in der Qualifikation. Und mit Erfolg, wie das Weiterkommen gegen die erstmals nicht für eine WM qualifizierten Schweden bewies. »Wenn unsere Abwehr steht und wir unsere Konter laufen können, fällt das nicht weiter ins Gewicht«, ergänzt Snorri Gudjonsson.
Auf eine Platzierung wollen sich beide Mindener nicht festlegen. »Wir wollen viel spielen. Und vor allen Dingen diese Super-WM genießen. Das wird eine Riesensache«, freut sich der GWD-Spielmacher. »Deutschland ist das Mutterland des Handballs, verfügt über tolle Hallen, die alle ausverkauft sein werden. Da muss man einfach dabei sein«, meint Einar Örn Jonsson
Beide sind sich übrigens auch einig, dass Island neuer Weltmeister wird. Gegen Frankreich oder Spanien - einzig da unterscheiden sich Gudjonssons und Jonssons Spekulationen. »Wir wissen ja auch, dass wir große Unterstützung erfahren werden«, sagen beide. Grund: 200 bis 300 Fans aus der Heimat stärken ihnen bei jedem der Vorrundenspiele den Rücken. »Sämtliche Karten, die unser Verband erhalten hat, sind weg. Und nach der Vorrunde werden sicher noch weitere Isländer kommen.«
Apropos Deutschland. Das ist für isländische Handballer nicht erst seit heute ein gutes Pflaster. Schon vor 25 Jahren tummelten sich die ersten Spieler aus dem Land der Geysire in der Bundesliga. Den Grund dafür hat Jonsson sofort parat: »Natürlich reizt es jeden, in der stärksten Liga der Welt zu spielen. Noch entscheidender ist aber, dass beide Mentalitäten sehr gut zueinander passen und beide Sprachen germanischen Ursprungs sind. Wir kommen hier einfach sehr gut zurecht.« Und so hoffen sie auch auf die Unterstützung der deutschen Zuschauer, wenn es heute gegen Topfavorit Frankreich geht. Jonsson: »Die Hauptrunde mussten wir packen. Alles andere wäre ein echter Skandal!« Der Mindener Flügelflitzer setzt für den weiteren Verlauf der WM neben den Fans noch auf einen weiteren Vorteil. »Wir kennen alle Arenen, haben schon vor diesen riesigen Kulissen gespielt. Das ist für uns nichts Neues. Andere müssen mit dem Druck von 10 000 Zuschauern erst mal klarkommen.«

Artikel vom 22.01.2007