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Offenheit von Ex-Anwalt honoriert

Untreue, Betrug und Schicksalsschläge: zwei Jahre Bewährungsstrafe

Bielefeld (uko). Mit den sprichtwörtlichen zwei blauen Augen und einer zweijährigen Bewährungsstrafe durfte ein einst prominenter Bielefelder Strafverteidiger am Dienstag das Amtsgericht verlassen. Der Mann wurde immerhin wegen Untreue, Betruges und Urkundenfälschung verurteilt.

Leidtragende der insgesamt zwölf Straftaten des Juristen, der seine Zulassung mittlerweile selbst zurückgegeben hat, waren fast ausnahmslos Mandanten. So wurden in den Jahren 2002 bis 2006 Vorschüsse nicht verrechnet, oder der Rechtsanwalt vereinnahmte Geld, das er angeblich für einen Sachverständigen benötigte . Ausgerechnet die Unterschrift seines damaligen Sozius Dr. Detlev Binder fälschte der mittellose Jurist, um einer Auto-Leasingfirma einen Gläubiger vorzugaulkeln; und gerade dieser Sozius vertrat den früheren Kollegen gestern als Strafverteidiger.
So sah sich Binder (und sein Mandant) indes besonders mit der Forderung von Oberstaatsanwalt Ralf Günther nach einer Strafe von zwei Jahren und neun Monaten konfrontiert. Der Angeklagte hatte einem Mandanten unter anderem suggeriert, er könne mit einem maßgeblichen Geldbetrag eine Staatsanwältin bestechen, um eine Verfahrenseinstellung zu bewirken. Günther ließ keinen Zweifel an der Absurdität dieses Vorgangs, denn »das trifft mich als Staatsanwalt besonders«.
Binder hingegen warb um Mitleid für einen Mann, den die Leukkämieerkrankung und der spätere Tod seines kleinen Sohnes ins Mark getroffen habe; der unter dem folgenden Liebesverhältnis seiner Ehefrau mit einem der behandelnden Ärzte der Kinderklinik Bethel gelitten habe. Ergebnis: Familie zerstört, die Ehefrau lebt nach einem mißglückten Suizid zumeist in der Psychiatrie.
Ungeschönt schilderte zudem der Angeklagte seinen Weg in die finanzielle Katastrophe, seine Unfähigkeit »mit Geld umzugehen«. Das Schöffengericht honorierte die Offenheit mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe (Auflage: 500 Sozialstunden und ambulante Therapie), denn die Verteidigung der Rechtsordnung gebiete hier nicht die Verbüßung einer Strafe.

Artikel vom 17.01.2007