18.01.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Friedrich von Logau

»Wer das Recht denkt recht zu führen, muss die Räder reichlich schmieren.«

Leitartikel
Peter Hartz und andere Fälle

Ökonomie auch
bei Gericht


Von Rolf Dressler
Eine E-Mail-Verbindung in solche himmlischen Höhen gibt's leider nicht. Vielleicht könnte man ja aber auch auf dem Weg der klassischen Briefpost ans Ziel kommen, wenn man Justitia, der altehrwürdigen Schutzpatronin und Göttin des irdischen Rechts und der Gerechtigkeit, einmal sein Herz ausschütten möchte.
Am besten per Anschrift Himmelstür, Postleitzahl 31137. Das käme bestimmt gut an, weil hierzulande immer mehr Menschen nur noch den Kopf schütteln über teils unbegreifliche Paragraphen-Akrobatik vor und hinter den Schranken der Gerichtsbarkeit. Der Widersinn, so scheint es, hat inzwischen System, bisweilen steigern sich Urteilsfindung und befremdlich mildes Strafmaß bis zur Groteske.
Dafür steht fortan, wenn nicht alle Zeichen trügen, auch der Fall Peter Hartz. Schon der gestrige erste Verhandlungstag in Braunschweig und die äußeren Begleitumstände bedienten sämtliche gängigen Klischees: schillernde Persönlichkeit im Blitzlichtgewitter auf der bis dahin ungewohnten Arme-Sünder-Bank; Ex-VW-Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor glaubhaft geständig; 65-Jähriger bekennt reumütig, dass er sich »normwidrig« verhalten und strafbar gemacht habe.
Entscheidend aber die Quintessenz: Man will und wird sich arrangieren - nach den ungeschriebenen, offenbar aber weithin gängigen Spielregeln der geschmeidigen sogenannten Prozess-Ökonomie.
Peter Hartz hat demnach also im Höchstfall zwei Jahre auf Bewährung und eine Geldstrafe in sechsstelliger Größenordnung zu erwarten. Das wird er mit Fassung tragen und verhältnismäßig leicht verschmerzen können. Denn so mild kommt nicht jeder davon, der sich zu Lasten seines Unternehmens derart kräftig vergriffen hat - vergriffen im doppelten Sinne dieses Wortes. 23-malige Begünstigung von Betriebsräten in Millionen-Euro-Höhe sowie Untreue in 44 Fällen, sprich: Bestechung, sündhaft teure Partysausen und Welt-Lustreisen. Ein beträchtliches Register.
Pikant genug, wenn jetzt beiläufig zu hören ist, dass »Mister Volkswagen«, der zur fraglichen Zeit gänzlich unumschränkte Vorstandschef Ferdinand Piëch seinem Günstling und besonders engen Vertrauten Peter Hartz in dessen Wirkungsbereich völlig freie Hand gelassen habe. Denn das wirft doch die Frage auf, ob Piëch von alledem wirklich absolut gar nichts wusste oder ob er zwar etwas ahnte, Hartz womöglich aber (zu lange) gewähren ließ.
Ein Beschwerdebrief an die Schutzpatronin Justitia würde freilich nicht nur den Fall Hartz zum Inhalt haben. Ein lachhaftes Jahr auf Bewährung für einen Mann, der seine Ehefrau jahrelang gequält hatte; oftmals unerträglich milde »Strafen« sogar für Raub und Totschlag; oder, viel schlimmer noch, ein unerwünschtes Kind, das wegen eines »Arztfehlers« dennoch zur Welt kam und von einem deutschen Gericht tatsächlich zum Schadens(ersatz)fall erklärt wurde.
Man sieht: Es gäbe noch vieles mehr anzuführen per Adresse Himmelstür, Postleitzahl 31137.

Artikel vom 18.01.2007