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Rudolf August Oetker

»Wir wussten, wir müssen das zerstörte Land wieder aufbauen. Und wir wussten, wir werden es schaffen.«

leitartikel
Rudolf August Oetker

Ein Patriarch
im besten
Sinne


Von Manfred Matheisen
Rudolf August Oetker, der gestern morgen in Hamburg gestorben ist, hat ein Stück deutscher Wirtschaftsgeschichte geschrieben. Er gehörte zu den Männern der ersten Stunde, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Ärmel aufkrempelten und die Chancen des wirtschaftlichen Aufschwungs nutzten. Wenn die Oetker-Gruppe heute zu den wenigen Familienunternehmen Deutschlands von internationalem Rang zählt, dann hat der Firmensenior in den 1950er Jahren dafür den Grundstein gelegt.
»Wir wussten, wir müssen das zerstörte Land wiederaufbauen. Und wir wussten, wir werden es schaffen«, sagte Rudolf Oetker einmal. Ein typischer Satz für den Firmenpatriarchen, der sich selbst als »eingefleischten Optimisten« sah. Jammern war seine Sache nie. Vor Hürden schreckte er nicht zurück. Schwierigkeiten galt es zu überwinden.
Zu den großen Leistungen des Unternehmers der alten Schule zählte seine Einsicht, Risiken durch Diversifikation zu begrenzen. Sein Leitspruch »Man soll nicht alle Eier in einen Korb legen« drückt in einfacher und klarer Sprache seine über Jahrzehnte hinweg erfolgreiche Unternehmensstrategie aus.
Trotz allen Erfolges ist Rudolf August Oetker immer ein Sohn Westfalens geblieben. In seiner Heimatstadt Bielefeld war er tief verwurzelt. Für ihn stand stets außer Frage, dass der Stammsitz der »Firma«, wie er das Unternehmen liebevoll bezeichnete, im ostwestfälischen Oberzentrum bleiben würde.
Die Stadt Bielefeld hat es ihrem Ehrenbürger allerdings nicht leicht gemacht. In den 1990er Jahren gab es einen unwürdigen Streit um den Namen der von Oetker gestifteten Kunsthalle, die nach seinem »zweiten Vater«, wie er immer sagte, Richard Kaselowsky benannt war. Wegen dessen Nähe zu den Nationalsozialisten kam es zum Dissens. Der Name des Museums wurde geändert, Rudolf August Oetker zog konsequent seine Leihgaben zurück. Den Affront durch seine Heimatstadt hat er nie verwunden.
Neben der nüchternen Einordnung wirtschaftlicher Chancen und Risiken zählte für »R.A.O«, wie er nach den Kürzeln seines Namens in der Firma respektvoll genannt wurde, die Pflege der Unternehmenskultur zu den Voraussetzungen erfolgreichen Wirkens. Er war ein fürsorglicher Chef, der sich auch um die privaten Sorgen und Nöte seiner Mitarbeiter kümmerte. Wenn ein großer Wurf gelungen war, freute man sich gemeinsam.
Genauso ließ Oetker bei Niederlagen niemanden im Regen stehen. Noch bis zuletzt war es für den Senior selbstverständlich, Pensionäre an runden Geburtstagen zu besuchen und ihnen zu gratulieren.
Der große alte Mann der deutschen Nachkriegswirtschaft hat nie abgehoben. Menschliche Wärme, eine noble Gesinnung, Lebensklugheit und ein trockener westfälischer Humor zeichneten ihn aus. Mit ihm ist ein Patriarch im besten Sinne gegangen.

Artikel vom 17.01.2007