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Vor 350 Jahren vom Kurfürst gegründet

Evangelisch-reformierte Gemeinde

Von Hendrik Uffmann
und Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld (WB). Es waren die Jahrzehnte des Wiederaufbaus nach den Schrecken des 30-jährigen Krieges, in denen die Evangelisch-reformierte Gemeinde Bielefeld gegründet wurde. 350 Jahre ist dies nun her, am Sonntag wird das Jubiläum mit einem festlichen Gottesdienst in der Süsterkirche gefeiert.

Dort, in der Kirche mitten in der Bielefelder Innenstadt, feiert die Evangelisch-reformierte Gemeinde in diesem Monat seit 325 Jahren ihre Gottesdienste. Die Predigt am Sonntag wird Alfred Buß halten, Präses der Westfälischen Landeskirche.
Etwa 2200 Mitglieder zählt die Gemeinde heute, die nicht nur aus Bielefeld, sondern auch aus den umliegenden Regionen kommen. »Die nächstliegenden reformierten Gemeinden sind in Herford und in Soest«, erklärt Horst Haase, Vorsitzender des Presbyteriums.
Gegründet worden war die Gemeinde 1657 vom Kurfürsten Friedrich Wilhelm, dem »Großen Kurfürsten«, dessen Reiter-Standbild auf der Sparrenburg steht. Dieser war selbst ein Reformierter. Heinrich Luthmann, ein reformierter Feld- und Hofprediger, hielt die erste Predigt auf der Sparrenburg. »Damals existierte dort nur ein kleiner Kapellenraum, erst von 1668 bis 1670 wurde auf der Burg eine Schlosskapelle errichtet«, erklärt Joachim Dellbrügge, Kirchmeister der Gemeinde. Die Restmauern dieses Gebäudes sind heute noch auf dem Gelände der Burg zu sehen.
Doch der Weg zu den Gottesdiensten auf der Sparrenburg war für die damals etwa 150 Familien der Gemeinde sehr beschwerlich, so dass die Frage an den großen Kurfürsten gerichtet wurde, der Gemeinde die damals leerstehende Süsterkirche zu überlassen. Die Kirche, die zuvor zum Kloster der Schwesternschaft Mariental, den »Süstern«, gehörte, schenkte der Fürst schließlich 1671 der reformierten GemeindeÊ mitsamt der angrenzenden Gebäude des Klosters. Nach längeren Querelen gab es dort am 17. Januar 1682 den ersten Gottesdienst.
1861 erbaute die Gemeinde - als Zeichen des Selbstbewusstseins - den heutigen Kirchturm an, 1891 erfolgte die Erweiterung der Kirche durch zwei Seitenschiffe und einen Chorraum. Notwendig wurde dies, weil die Gemeinde durch den Zuzug von Arbeitern aus Lippe, die in den Spinnereien und Webereien beschäftigt waren, stark anwuchs. Im Zweiten Weltkrieg, beim großen Bombenangriff auf Bielefeld am 30. September 1944, wurde die Süsterkirche zu 70 Prozent zerstört.
Heute ist die Gemeinde dabei, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Im vergangenen Jahr wurde die Kirche umgebaut, erhielt unter anderem einen neuen Fußboden, neue Beleuchtungselemente und eine flexible Bestuhlung. Der Hintergrund: Das Gotteshaus soll mehr sein als nur Ort für Gottesdienste, sondern auch multifunktional von der Gemeinde genutzt werden, erläutert Horst Haase.
Denn das Gemeindehaus direkt neben der Kirche an der Güsenstraße ist für die Zwecke der Gemeinde inzwischen viel zu groß, die jährlich 30 000 Euro Unterhaltungskosten können nicht mehr aufgebracht werden, so der Presbyteriums-Vorsitzende. Also wird das Gebäude abgerissen (das WESTFALEN-BLATT berichtete), an der Stelle errichtet die Gemeinde ein Haus mit bis zu 20 Wohnungen zwischen 70 und 120 Quadratmetern, die vermietet werden.
Der Antrag für den Abriss wurde kurz vor Weihnachten gestellt, im Sommer soll damit begonnen werden. »Dafür rechnen wir etwa vier bis sechs Wochen. Bis Weihnachten 2007 soll dann der neue Rohbau stehen, im Frühjahr 2008 soll es komplett fertig sein«, erläutert Haase den Zeitplan. Die Investition von 2,5 Millionen Euro, die die Gemeinde alleine und nicht aus Kirchensteuern bestreitet und die in 40 Jahren durch die Mieteinkünfte ausgeglichen sein soll, soll diese auch weiter in der Bielefelder Innenstadt verankern. »Seit 325 Jahren hat die Gemeinde hier Eigentum, das wollen wir für künftige Generationen erhalten«, sagt Joachim Dellbrügge.

Artikel vom 20.01.2007