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Welt-Konzern Oetker aus
Schutt und Asche aufgebaut

Mit 28 Jahren an der Firmenspitze - Patriarch und Familienmensch

Von Manfred Matheisen
Bielefeld (WB). Schon früh musste Rudolf August Oetker Verantwortung für das Unternehmen und die Mitarbeiter übernehmen. Geprägt haben ihn die unmittelbaren Nachkriegsjahre.
Rudolf August Oetker mit Oldtimer vor der Oetkerhalle. Foto: Carsten Borgmeier
Volksnah: Am 22. Juni 1999 zeichnet Günter Petersmeier von der Schützengesellschaft Senne Rudolf August Oetker mit der Sebastianusnadel aus. Foto: Ohlig
Er war präsent, griff in seinen schier unendlichen Schatz von Geschichten, erinnerte sich humorvoll an Ereignisse, die lange Jahre zurückliegen. Mit einem Mal wurde Rudolf August Oetker aber nachdenklich in dem Interview, das das WESTFALEN-BLATT zu seinem 90. Geburtstag im September vorigen Jahres mit ihm führte.
»Manchmal«, sagte er, »denke ich auch an den Tod. Das Liebste wäre mir, er käme über Nacht, so dass ich es nicht merkte. Am Morgen würde ich einfach nicht mehr aufwachen.« Gestern am frühen Morgen ist der Firmenpatriarch im Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg entschlafen.
Rudolf August Oetker wurde am 20. September 1916 im Bielefeld geboren. Seinen Vater hat er nicht mehr gekannt. Dr. Rudolf Oetker war am 8. März vor Verdun gefallen. Oetkers Mutter Ida heiratete in zweiter Ehe Dr. Richard Kaselowsky, der das Familienunternehmen treuhänderisch führte und von dem Rudolf August Oetker immer in großer Liebe als seinem zweiten Vater sprach.
Nach dem Abitur am Bielefelder Ratsgymnasium absolvierte Rudolf August Oetker eine Banklehre bei der Vereinsbank in Hamburg. Im Zweiten Weltkrieg diente er bei einer Einheit in Berlin.
Im Herbst 1944 traf den jungen Mann ein schwerer Schicksalsschlag. Seine Mutter, der Stiefvater und zwei Geschwister starben bei einem Bombenangriff auf Bielefeld. Im Alter von 28 Jahren übernahm er die alleinige Verantwortung für das Familienunternehmen.
Die Jahre nach der Stunde Null am 8. Mai 1945 erwiesen sich als prägend für Rudolf August Oetker. Das Werk war in großen Teilen zerstört, die Bielefelder Innenstadt lag in Schutt und Asche. »Die Menschen standen fassungslos vor ihren Häusern und weinten«, erinnerte er sich einmal. Die Jungen hätten aber auch Hoffnung gespürt: »Wir durften nicht resignieren, wir hatten die Chance, neu anzufangen.«
Nur sechs Tage standen im Mai 1945 die Maschinen im Oetker-Werk still. Rohware war noch vorhanden, irgendwo auf dem Gelände fand sich Dieselkraftstoff, der in Fässern vergraben worden war. Man reparierte notdürftig die Generatoren und nahm die Produktion wieder auf, begann sich alsbald auf anderen Märkten umzuschauen. Dass Gemeinsinn für ihn mehr als ein Wort war, zeigte Rudolf August Oetker, als er und seine Mitarbeiter in den Nachkriegstagen halfen, die Bielefelder Innenstadt mit Schaufel und Spaten von den Trümmern zu befreien.
Mitte der 1970er Jahre musste Rudolf August Oetker ertragen, dass sein Sohn Richard entführt und schwer verletzt wurde. Der Entführer Dieter Zlof erpresste 21 Millionen D-Mark Lösegeld. Über seine Gefühle damals hat Oetker nie öffentlich gesprochen.
Die Familie war für den Firmenpatriarchen stets Mittelpunkt. Er war stolz darauf, dass sich Ehefrau Maja, die er 1963 in dritter Ehe heiratete, kommunalpolitisch betätigte und Bielefeld als Bürgermeisterin repräsentierte. Und er freute sich, wenn seine Kinder, Enkel und Urenkel um ihn waren.

Artikel vom 17.01.2007