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Lachen ist stärker als das Vergessen

Der Bielefelder Hans Siegmann tritt als Clown vor demenzkranken Menschen auf

Von Hendrik Uffmann
und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Es braucht nur wenig, damit Hans Siegmann sich verwandelt. Eine rote Gumminase aufgesetzt, das Haar wild zerstrubbelt, eine Fliege um den Hals, und er ist ein Clown, der vor allem alte und demenzkranke Menschen zum Lachen bringt. Für dieses Engagement wurde Siegmann durch eine Einladung zum Neujahrsempfang beim Bundespräsidenten ausgezeichnet (das WESTFALEN-BLATT berichtete).

»Meine Frau erkennt es sofort an meinen Augen, wenn ich in die Rolle des Clowns schlüpfe, auch wenn ich keine rote Nase aufhabe«, sagt der 62-jährige. Seit fünf Jahren ist er als Clown unterwegs, eine Rolle, die sich unbemerkt in sein Leben geschlichen habe, »auch, wenn sie mir vermutlich in die wiege gelegt wurde«.
Früher war Hans Siegmann, der aus Bopfingen in Schwaben stammt, ein erfolgreicher Unternehmer. Von seinen Eltern hatte er eine Möbelspedition übernommen. Bis er 40 Jahre alt war führte er die Firma »pflichtbewusst« - dann wurde ihm klar, dass er sich selbst nur noch über die Arbeit definierte. »Von da an habe ich 15 Jahre lang daran gearbeitet, mich aus dem Geschäft zurück ziehen zu können, bis ich schließlich die Firma verkauft habe.«
2001 zog er aus seiner Heimat nach Bielefeld, zu seiner zweiten Frau Katharina. Und begann, vieles auszuprobieren: Er machte eine Ausbildung zum Yogalehrer, zum Traumabegleiter und schließlich eine einjährige Schulung zum Clown. »Ich war nicht auf der Suche danach, diese Dinge haben mich gefunden«, sagt Hans Siegmann. Als Clown Dinge auszudrücken und zu tun, die er im »normalen Leben« nicht durfte, habe ihm geholfen, den neuen Lebensabschnitt zu meistern.
Den ersten Auftritt als Clown hatte er dann im Altenheim Wilhelm-Augusta-Stift der Arbeiterwohlfahrt, das direkt neben dem Haus der Siegmanns liegt. »Ich habe mich kostümiert und bin über den Zaun gestiegen«, erinnert er sich.
Ein Schlüsselerlebnis war dann, als er zu einem demenzkranken Mann ins Zimmer kam. »Grau im Gesicht, die Mundwinkel nach unten, saß er in seinem Bett. Da habe ich ihm ÝAlle meine EntchenÜ vorgesungen.« Und plötzlich, erzählt Hans Siegmann, begann sich das Gesicht des alten Mannes zu verändern. »Die Mundwinkel gingen nach oben, die Wangen wurden rosafarben und er fing an, mitzusingen. Dabei hatte er sonst seit Wochen keine Gefühlsregung mehr gezeigt.«
Seitdem tritt er als Clown vor allem in Altersheimen bei Veranstaltungen wie etwa Sommerfesten auf - dann zusammen mit seinem Partner Hartmut Angermann - oder besucht einzelne bettlägerige Menschen in den Einrichtungen in ihren Zimmern. »Vor größerem Publikum bin ich der Lachprofessor, der den Leuten erklärt, wie wichtig das Lachen ist - und dass es deswegen eine ganz ernsthafte Sache ist.« Gerade für demente Menschen sei es eine befreiende Erfahrung zu sehen, dass jemand noch schusseliger und verwirrter ist als sie selbst. Und hin und wieder verblüfft er sein Publikum mit Zaubertricks.
Auch als Mentor für Jungunternehmer ist Hans Siegmann bei der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft WEGE und der IHK in Detmold aktiv, gibt darüber hinaus Seminare über »Humor und Altenpflege«. Wichtig ist ihm, Neues für sich zu entdecken - um damit anderen zu helfen. Dass dies mehr Menschen nach dem Ausscheiden aus dem Beruf so halten würden, das, so Siegmann, würde er sich wünschen. »Denn für sich selbst erreicht man dabei auch viel.«

Artikel vom 16.01.2007